Mittwoch, 17. April 2013

Krieger, Barde und Taugenichts (1)

 
Es war einmal …

… ein Baron, der diente treu und ergeben seinem König. Er war nicht reich. Denn nicht jeder Baron schwimmt in Gold. Sein einziger Reichtum waren seine Burg, die zugegebenermaßen schon recht baufällig war, die Freundschaft seines Königs und seine drei Söhne, auf die er recht von Herzen stolz war.
So hatte der älteste der drei in kürzester Zeit mit viel Stärke und Entschlossenheit das Waffenhandwerk erlernt und war schon in jungen Jahren zum besten Krieger der bekannten Lande geworden. Wiewohl Mitgefühl ihm fremd war und er ob seiner vierschrötigen Gestalt und seiner groben Manieren nicht wenige der vielen Damen, die sich ihm zu nähern wagten, vergraulte, war er überall im Land berühmt und geachtet.
Der zweite der Söhne hatte recht bald bemerkt, daß er es in Stärke und Waffengeschick nicht mit seinem älteren Bruder aufnehmen konnte und hatte darob das Spielen der Harfe erlernt. Aufgrund seiner geschickten Finger und seiner glatten Zunge war er bald als bester Barde im weiten Land gerühmt, wenn er es auch mit der Ehrlichkeit nicht so ernst nahm und mehr Frauenherzen brach, als es schicklich war.
Der Jüngste jedoch war ein rechter Träumer. Er lernte das Waffenhandwerk, doch obwohl er geschickt und schnell war, war er doch zu mitfühlend, um je ein guter Krieger zu werden. Auch konnte er zwar der Harfe die süßesten Melodien entlocken und die schönsten Geschichten dazu erzählen, doch war er zu ehrlich und direkt und schaffte sich damit bei Hofe keine Freunde.
So unbestimmt war sein Geschick, daß sein Vater es schließlich nicht mehr mitansehen konnte und er ihn an seinem sechzehnten Geburtstag zu sich rufen ließ.
»Höre mein Sohn«, sagte er zu ihm. »Du wirst nun bald zu den Männern zählen, darum sage mir, was aus dir werden soll. Willst du ein Krieger werden oder ein Barde? Ach, es wäre mir recht egal. Doch allein ich sehe nicht, daß du dich für eines entscheiden könntest.«
Der Jüngling sah ihn recht betroffen an und schämte sich, doch eine Antwort konnte er seinem Vater nicht geben, denn er hatte keine. So bat der Sohn seinen Vater um Geduld, weinte sogar, um ihn wohlgesonnen zu stimmen. Jedoch dem Baron überkam die Wut und in seinem Zorn schickte er seinen Sohn fort, auf daß er in der weiten Welt zu einer Einsicht gelangen möge. Nur ein Pferd gab er ihm mit, Schwert und Harfe und etwas Geld, damit er nicht hungern müsse, bis er seine Entscheidung getroffen habe.
Und so zog der jüngste der drei Söhne des Barons in die Welt hinaus.

Drei Jahre gingen ins Land, in denen der Vater nichts mehr von seinem jüngsten Sohn hörte und schon dauerte ihn, daß er ihn fortgeschickt hatte. Da begab es sich, daß ein Usurpator den Thron des Nachbarreiches bestieg, und das kleine Königreich mit Krieg überzog. Der König rief seine Recken zusammen und stellte sich dem feindlichen Heer, als Schreckliches geschah und die Tochter des Königs von dem dunklen Herrscher entführt wurde. Noch entmutigender war die Nachricht, die der Dunkle dem König überbringen ließ. Wollte er doch die Prinzessin in Jahresfrist ehelichen und sich das Land untertan machen, wenn es niemandem zuvor gelingen sollte, ihn im Zweikampf zu besiegen. Und der dunkle Usurpator war ein gar schrecklicher Krieger.
Ach, groß war das Wehklagen des Königs, als er davon erfuhr, und voller Entsetzen hörte es auch der Baron. »Was soll ich nur tun?« jammerte der König, und der Baron als sein treuester Ratgeber mußte nicht lange überlegen.
»Schickt Eure Recken und Krieger hinaus, mein König«, antwortete er, »und versprecht ihnen Ruhm und Gold für die Errettung der Prinzessin. So wird sich wohl einer finden, der das Wunder vollbringen kann.«
Und so tat es der König, und die Recken zogen aus, die Prinzessin zu retten. Gar viele waren es, und nur wenige kehrten zurück. Viele fanden die Burg des Gegners gar nicht, so versteckt lag sie. Andere wiederum wurden auf dem Weg dorthin getötet. Die meisten jedoch verirrten sich, und fanden nicht wieder zurück. Voller Gram lauschte der König den schlechten Nachrichten, die ihn allenthalben erreichten, und so gingen drei Monate ins Land, und es tat sich nichts. Die Söhne des Barons jedoch blieben am Hofe.
»Was soll ich nur tun?« wehklagte der König sein Leid.
»Hört«, antwortete der alte Baron, »Gold und Ruhm vermögen die tapfersten Recken Eures Landes nicht zu locken. Die Belohnung muß wohl besser sein, damit die besten Krieger Eures Landes losziehen, Eure Tochter zu retten.«
Die Worte klangen weise und so fragte der König: »Aber um wieviel höher soll die Belohnung denn bemessen sein, um ihren Zweck zu erfüllen?«
Der Baron überlegte nicht lange, hatte er doch genau diese Frage erwartet. »Gebt dem Retter die Hand Eurer Tochter«, sagte er daher nur und schwieg hernach.
Lange dachte der König über die Worte des Barons nach. Drei Tage vergingen, bevor er seine Entscheidung endlich verkündete, die lautete, daß der Retter seiner Tochter, ihre Hand erhalten würde. Da schickte der Baron nach seinem ältesten Sohn und sprach zu ihm: »Nun geh, mein Sohn! Denn wenn du die Prinzessin errettest, wirst du der Schwiegersohn des Königs sein.« Und der Sohn ging.
Lange wanderte der Krieger durch die Lande, Wochen und Monate verstrichen, bis er schließlich ein kleines Dorf am Rande eines großen Waldes erreichte. Dort endlich konnten die Leute ihm sagen, daß die Burg des dunklen Usurpators wohl im Herzen des Waldes läge. Doch allein die alte Vettel in ihrer kleinen Hütte im Wald wüßte wohl den Weg dorthin.
Der Krieger zögerte nicht lange und ritt in den Wald hinein. Er war noch nicht weit gekommen, als er den Gesang einer alten Frau hörte, die mit zwei Eimern voller Wasser seinen Weg kreuzte. »Zwei Weiden und eine Erle, die standen am Sumpf. Die Erle wurde größer, die Weiden verfaulten am Stumpf.« So ging ihr Lied.
Allein den Krieger quälte die Ungeduld, und so rief er grob: »Heh, alte Vettel! Wo ist der Weg zur Burg des dunklen Herrschers?« Und als die Frau vor Schrecken nicht gleich antwortete, hob er das Schwert an ihren Hals, bis sie ihm endlich zitternd und stotternd den Weg wies. »Hütet Euch vor seiner Hinterlist«, warnte sie den Eiligen noch, doch er hörte sie schon nicht mehr.
Bald darauf gelangte er auch schon an der Burg an und verlangte Eintritt. Bereitwillig ließ man ihn ein, und schon bald stand der Krieger vor dem dunklen Herrscher. Er schlug mit seinem Schwert auf den Schild und schrie ihm seine Herausforderung entgegen.
»Gerne nehme ich Eure Herausforderung an«, antwortete der Dunkle, »seid Ihr doch ein würdiger Gegner. Doch erlaubt mir Euch meine Gastfreundschaft anzubieten und speist zuerst mit mir, so wie es sich geziemt.«
Der Krieger war zwar ungeduldig auf den Kampf, doch er gab nach und ließ sich an die Speisentafel geleiten, wo ihm die leckersten Speisen und Getränke aufgetischt wurde.
Allein er merkte nicht, wie die Diener auf Geheiß ihres Herrn ein Pulver in seinen Wein mischten. Wußte der Dunkle Herrscher doch allzu gut, daß sein Herausforderer der beste Krieger der bekannten Lande war. So gab er ihm ein Pulver zu trinken, daß seine Muskeln erlahmen lassen sollte.
»Was ist Euer Preis, solltet Ihr verlieren«, fragte der Dunkle den Krieger beim letzten Krug des roten Weines.
»Mein Leben soll Euch gehören«, antwortete da der Krieger ohne Zögern und hob den Krug.
»So sei es«, nickte der Dunkle, »solltet Ihr verlieren, so werdet Ihr mein Sklave sein.« Und er prostete dem Krieger zu. So bekräftigten sie ihr Abkommen.
Doch schon bald begann das Pulver zu wirken, die Muskeln des Kriegers erlahmten und der Krieger wurde so schwach, daß er kaum noch aus eigener Kraft stehen konnte. Jetzt erst erkannte er die Hinterlist seines Gegners, obschon es zu spät war. Und so kam es, daß der Krieger seinen Kampf verlor und zum Sklaven des dunklen Herrschers wurde.



Fortsetzung folgt


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