Sonntag, 31. März 2013

Vom Igel, der die Königstochter zur Frau bekam

Es war einmal ein Mann, der hatte keine Kinder, und da ging er einst in den Wald und fand dort einen Igel und nahm sich den Igel mit nach Haus. Eines Tags sprach der Igel zu ihm »Ich will doch unsere Sau in den Wald austreiben und hüten.« Der Alte versetzte »Was kannst du austreiben! Du kommst ja selbst kaum von der Stelle.« Aber der Igel trieb die Sau doch in den Wald und hütete sie dort drei Jahre und trieb sie in der ganzen Zeit nicht ein. Die Sau aber bekam Ferkelchen, und die Ferkelchen bekamen wieder Ferkelchen, und schließlich war es eine große, große Schweineherde. Nun kam einmal ein Offizier in den Wald, um da zu jagen, und er verirrte sich. Da sah er die Schweine und wollte zusehn, wo der Hirt wäre, der die Schweine hütete. Da erblickte er an einer Fichte den Igel und fragte ihn »Wo ist der Hirt, der diese Schweine hütet?« Antwortete ihm der Igel »Der Hirt von diesen Schweinen der bin ich.« Da fragt' ihn der Offizier »Wie muss ich gehn, um aus dem Wald herauszukommen?« Und der Igel erwiderte »Wenn du mir deine Tochter gibst, will ich dich aus dem Wald herausführen.« »Zeig mir nur den Weg, so magst du meine Tochter haben«, sagte der Offizier, und der Igel führte ihn aus dem Wald und kehrte dann wieder zu seinen Schweinen zurück. Ein ander Mal kam ein Königssohn in den Wald und jagte, und auch der verirrte sich. Er sah die Schweine und wollte den Hirten suchen, da erblickte er den Igel, der lag wieder bei der Fichte, und der Königssohn fragte ihn »Wo ist der Hirt, der diese Schweine hütet?« »Der Hirt von diesen Schweinen der bin ich«, antwortete der Igel. Und als nun der Königssohn fragte »Könntest du mir nicht den Weg aus dem Wald heraus weisen?«, da antwortete er »Wenn du mir deine Tochter gibst, dann will ich dich herausführen.« »Gut«, sprach der Königssohn, »ich will dir meine Tochter geben, führ mich nur aus dem Wald heraus.« Der Igel zeigte ihm denn den Weg und ließ ihn dann allein weiter gehn. Den nächsten Tag kam der König selbst in den Wald und jagte, und der verirrte sich gradeso wie der Offizier und der Prinz. Er wurde die Schweine gewahr und wollte den Hirten aufsuchen, da sah er den Igel bei der Fichte liegen und fragte ihn »Könntest du mir nicht den Weg aus dem Wald heraus weisen?« »Wenn du mir«, gab der Igel zur Antwort, »deine Tochter geben willst, will ich's thun.« Und der König sprach »Gut, du kannst sie haben, führ mich nur aus dem Wald heraus.« Der Igel führte ihn also heraus und ging dann zu seinen Schweinen zurück. Bald darnach trieb er die Schweine nach Haus, und der Alte sah, dass es eine große, große Herde geworden war. Der Stall, in den er die Schweine eintreiben wollte, hatte gar nicht Platz genug, und da musste er noch in einen andern Stall eintreiben, und der Alte freute sich gar sehr, dass ihm der Igel so viel Schweine heimgebracht hatte.

Jetzt sprach der Igel zum Alten »Füttre mir den Hahn da, ich will zu meinem Mädchen reiten.« Der Alte that's, und da ritt der Igel auf dem Hahn zu dem Offizier. Er sprach zu ihm »Na, so gib mir jetzt deine Tochter.« Und der Offizier fragte ihn »Was brauchst du zur Ausstattung?« »Ein Paar Pferde, eine Kutsche, und die Kutsche voll Geld.« Der Offizier that das Geld in die Kutsche, die Pferde wurden eingespannt, das Mädchen setzten sie oben auf das Geld, und so fuhr der Igel mit ihr ab. Auf dem Heimweg sprach er zu seinem Mädchen »Wenn du willst, kannst du zu deinem Vater zurückgehn, wenn du aber mit mir fahren willst, so komm mit mir.« Das Mädchen aber sagte »Da will ich doch lieber wieder zu meinem Vater heimgehn«, und sie ging zu ihm zurück. Der Igel aber fuhr mit seinem Geld nach Haus. Am nächsten Tag ritt der Igel auf seinem Hahn zum Königssohn, und mit der zweiten Braut gings gradeso wie mit der ersten. Am dritten Tag ritt er zur dritten Braut; er trat vor den König und sprach »So gib mir jetzt deine Tochter zur Frau.« Der König fragte ihn »Was willst du zur Ausstattung?« und der Igel antwortete »Eine Kutsche voll Geld und ein Paar Pferde.« Der König gab ihm alles, was er verlangte, und der Igel fragte die Königstochter nicht wieder, ob sie zu ihrem Vater zurück wolle, sondern fuhr mit ihr nach Haus, und da wurde Hochzeit gemacht. Der Alte kaufte jetzt einen Edelhof mit vielen Feldern und mit vielen Pferden und Ochsen, mietete Mägde und Knechte und ließ die Felder bestellen, und lebte von nun an wie ein Herr. Der Igel aber und die Königstochter blieben bei ihm wohnen und lebten noch viele Jahre herrlich und in Freuden zusammen, und dann sind sie gestorben.


Leskien, August/Brugman, K.
Litauische Volkslieder und Märchen
Straßburg, 1882

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