Sonntag, 20. Januar 2013

Bidpai's Fabelbuch (5)


Arabisch

Die älteste Uebersetzung unsers Buches ist die aus dem Pehlwi gemachte arabische von Abdallah ben Mokassa. Dieser Mann war ein geborner Perser und lange Zeit der Religion der Mager ergeben. Später, im Dienst des Isa ben Ali, eines Onkels der beiden Khalifen Saffah und Mansur, schwor er seine väterliche Religion ab und wurde ein Bekenner des Islam, wiewohl seine Orthodoxie stets in großem Verdacht blieb. sein sarkastisches Wesen zog ihm viele Feinde zu, und unter diesen auch den Khalifen Mansur selbst. Er endete daher auf eine schreckliche Weise, durch die Hand des von Mansur beauftragten Statthalters von Basra, Sofjan, – es wurde ihm ein Glied des Leibes nach dem andern abgeschnitten und in einen Ofen geworfen, zuletzt sein ganzer übriger Körper. – Er starb 145. d. H. d. i. 8762 unserer Zeitrechnung *).



Zuförderst verlangt Ibn Mokasse von den Lesern des Buchs, das sie nicht bei dem Aeußern der Erzählungen stehen bleiben, sondern, daß sie vielmehr den verborgenen moralischen Sinn derselben aussuchen sollen. Erst dann werde das Buch Nutzen bringen. So müße man ja auch die Nuß erst aufbrechen, wenn man sie genießen wolle. Sodann empfiehlt er: die erkannten Lehren der Weisheit in das praktische Leben übergehen zu lassen, denn das Wissen helfe nichts, wenn man nicht darnach handle. Das Wissen, sagt er, vollendet sich erst durch das Handeln, das Wissen ist wie der Baum, und das Handeln wie die Frucht. Und wer nach dem wohl erkannten Guten nicht handle, der mache sich dadurch nur um so strafbarer. Der weise Mann, fährt er fort, werde bei all seinen Unternehmungen sich stets ein nützliches Ziel vorstecken, er werde Missgeschick, das ihn nach göttlicher Fügung treffe, in Geduld ertragen, denn dasselbe sey nur ein anscheinendes und werde für ihn günstigen Erfolg haben. Das Vertrauen auf die göttliche Vorsehung dürfe ihn nicht abhalten das seinige zu thun, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, aber der höchste Gegenstand seiner Bestrebungen müßen immer die bleibenden und unvergänglichen Güter seyn. Der einsichtsvolle Mensch werde auf seiner Hut seyn gegen seine Leidenschaften, nicht Glauben schenken den Worten aller Welt, nicht hartnäckig bestehen bei einem falschen Verfahren, an das Unausweichbare der Beschlüsse der Gottheit glauben, mit Muth und fester Ausdauer handeln, Andern nicht thun was er wünscht, daß man ihm nicht thue, und nie sein Vortheil auf Kosten Anderer suchen.. Zuletzt ermahnt er nochmals die Leser, daß sie sich nicht begnügen sollen, blos oberflächlich in dem Buch zu blättern, sondern daß sie es ganz und in ernster Aufmerksamkeit lesen sollen.

Der Verfasser des Buchs, sagt er noch am Ende, habe sich bei Abfassung desselben viererlei vor Augen gestellt. Einmal nemlich: dasselbe anziehend zu machen für die jungen Leute, was er dadurch zu erreichen glaubte, daß er darin verschiedene Thiere reden und handeln ließ. Zweitens: die Aufmerksamkeit der Fürsten zu fesseln durch die darin gezeichneten Gestalten der Thiere. Drittens: Daß dasselbe, dem Vergnügen gemäß, das die Leute aus allen Ständen in seiner Lectüre finden würden, durch eine große Anzahl von Abschriften sich vervielfältigen und so auf die fernste Nachwelt sich erhalten sollte. Viertens endlich, sagt er, betreffe der wahre Zweck der Abfassung des Buchs nur die Philosophen, d.h. sein höchster Zweck seyen die unter dem Gewande der Fabeln verborgenen Lehren der Weisheit und Moral.



Calila und Dimna
aus dem Arabisch
von Philipp Wolff
Stuttgart 1837

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