Mittwoch, 31. Oktober 2012

Das Hühnchen und der Diamant

Ein verhungert Hühnchen fand
einen feinen Diamant,
Und verscharrt' ihn in den Sand.

Möchte doch, mich zu erfreun,
Sprach es, dieser schöne Stein
Nur ein Weizenkörnchen seyn!

unglückselger Ueberfluß,
Wo der nötigste Genuß
Unsern Schätzen fehlen muß!


Friedrich von Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

Montag, 29. Oktober 2012

Die Kaufleute und die Katze

Als ostindsche Kaufleute ihre Waaren auf Kamehle luden, schlich sich eine Katze hin, – machte eine Buckel, und sagte:
„Sehe, ich habe auch einen Buckel, und kann Lasten tragen, wie die Kamehle.«
»Wir wollen sehen«, sprachen die Kaufleute, und legten ihr nur eine ganz leichte Last auf. – Allein der Katze war die Last zu schwer. Man nahm sie ihr wieder ab, und jagte sie davon.

Dieß Loos verdienen alle Bücklinge, und Schwachköpfe, die vom Staate Aemter erschleichen.

Joseph Krause
Fabeln für unsre Zeiten und Sitten
Strasburg und Mainz, 1801

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Der Hengst und die Wespe


Eine kleine Wespe stach
Einen Hengst. Er schlug nach ihr;
Und die kleine Wespe sprach:
Hengsten, schlag’ doch nicht nach mir,
Sieh, ich sitz’ an sichrem Orte,
Hengsten geh! du triffst mich nicht!

Hengsten gibt ihr gute Worte.
Und die kleine Wespe spricht:
Sanftmut findet doch Gehör!
Sieh nun stech’ ich dich nicht mehr!


Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Montag, 22. Oktober 2012

Herbst 2012


Der Herbst ist dieses Jahr so spröde
Mal kommt er bunt, dann doch nur wieder nebelgrau
So bin ich wie im Frühjahr einfach müde
Und selten lockt die Sonne mich mal aus dem Bau.

Was Spinnen spinnen ist mir nicht so wichtig
Ich spinne selbst, doch kann man das nur selten sehn
Das meiste davon mach‘ ich doch nicht richtig
Das was ich tu, ist meistens, um mich selber drehn.

Und nächste Woche soll es schneien
Von Berg bis weit hinunter in das Tal
Jetzt im Oktober, ach, ich könnte schreien
Es ist ja nicht das allererste Mal

Das Wetter nicht so ist, wie wir es wünschen
Berechenbar, und immer so wie es grad passt
Die Sonne, wenn es uns beliebt zu plantschen
Den Regen, wenn der Garten wieder welchen fasst.

Der Herbst ist dieses Jahr so spröde
Die letzten Jahre Wetter - der gleiche Mist,
Davor die Jahre auch, bin ich denn blöde
Das mir das bislang noch nie aufgefallen ist?


Horst-Dieter Radke

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Dithyrambus und Fabel

Der Dithyrambus und die kleine Aesopische Fabel scheinen zwo so verschiedene Dichtungsarten zu seyn, daß sie zwei ganz entgegengesetzte Genie’s zu erfordern scheinen: wenn jene in eine poetischen Trunkenheit enthusiastisch tobt, und mit den Mänaden über die Gebirge raset … so suchet diese, der gelassenen Natur in ihrer äußersten Simplizität zu folgen, und allezeit den kürzesten und geradesten Weg zu gehen. Wir wollen nicht behaupten, daß es nicht solche ausgebreitete Genie’s geben sollte, die mit gleichem Glücke sich in jede von diesen Verfassungen ätzen könnten: indessen scheint es, daß die letztere der Muse unsers Dichters doch weit natürlicher ist, als die erstere. Der Enthusiasmus seiner Dithyramben ist nicht selten erzwungen und studiret; er sucht öfteren den Strom, der seine Wort fortwälzen soll, dals daß er von demselben jähling ergriffen und fortgerissen wird. Unter seinen Fabeln sind verschiedene, deren Erfindung so gut ist, und die so leicht und ungekünstelt dialogirt sind, daß wir sie denen des Phädrus an die Seite setzen könnten. Der Charakter der handelnden Thiere ist meistens wohl ausgedrückt, die Sprache ist leicht, und die Lehre sinnlich und gut herbeigeführt: nur möchten wir zweifeln, ob diejenige Weise, die Personen gleich dialogisch einzuführen, allezeit wohl angebracht sei und durchgängig gefallen möchte, da der Ort der Szene zur Wahrscheinlichkeit viel beiträgt, und den Leser nicht selten auf eine angenehme Art vorbereitet. Wem wird z. B. bei der ersten Fabel nicht gleich einfallen, daß es eine seltsame Katze seyn müsse, die so viel mit der Maus komplimentiret, und nicht gerade zufährt, wenn jene nicht noch in ihren Löchern sitzt.


Johann Gottlieb Willamov (1736 - 1777)
aus: Dialogische Fabeln, S. 23 f.
Berlin, 1791

Montag, 15. Oktober 2012

Der Hirsch und der Eber

Ein Eber fragt den Hirsch: was macht dich hundescheu?
Für mich gesteh ich gern, daß ich es nicht begreife.
Du hörst so scharf, als sie: wie schnell sind deine Läufe?
Wie fürchterlich ist dein Geweih?
Und da du größer bist, so solltest du dich schämen,
Vor kleinern stets die Flucht zu nehmen.
Was ist es immermehr, das so dich schrecken kann?
Das will ich, spricht der Hirsch, dir im Vertrauen sagen:
Der Abscheu hängt mir noch von meinem Vater an;
ich kann das Heulen nicht vertragen.


Friedrich von Hagedorn

Samstag, 13. Oktober 2012

Ein fabelhafter Autorenverein


Der 42er Autoren e.V. ist ein Verein, der sich um deutsche Literatur im allgemeinen und um aktive Autorinnen und Autoren im besonderen kümmert. Von der reinen Selbsthilfe untereinander, die die im Verein organisierten Autoren betreiben reicht dies bis zur Autorenhilfe darüber hinaus. In einem Forum kann über Schreiben und Literatur diskutiert werden, ein jährlicher Kurzgeschichtenpreis (Putlitzer Preis) fördert Talente. Seit 2012 gibt es ein Residenzstipendium "42 Tage Putlitz", das Projekte fördern soll. Auf der Leipziger Buchmesse organisiert der Verein seit 2010 ein Stand, um dort Anlaufstelle für Autoren und interessierte Verlage zu sein. Insbesondere hat sich der Verein auch um den Schutz vor »Autorenabzocke« durch spezialisierte Dienstleistungsbetriebe bemüht und durch die Aktion »Rico Beutlich« Anerkennung in den Medien und der Öffentlichkeit gefunden.

Dies alles kostet Geld. Finanziert wird der gemeinnützige Verein bislang durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Eine gute Möglichkeit, die Arbeit des Vereins zu fördern bietet derzeit die Bank Ing DiBa. Tausend Vereine - in vier Gruppen je nach Größe aufgeteilt - sollten 1000 Euro erhalten. In jeder Gruppe werden also die 250 beliebtesten Vereine ermittelt. Jeder kann Stimmen vergeben. Dazu gibt man seine mobile Telefonnummer an und bekommt per SMS drei Stimmen, die auf einen oder bis zu drei Vereine aufteilt werden können. Da pro Telefonnummer nur einmal die drei Codes vergeben werden, kann so keine Stimmenmauschelei passieren. Wer also die Arbeit der 42er Autoren, die von allen ehrenamtlich geleistet wird, unterstützen möchte, kann auf diese Weise eine, besser gleich alle drei Stimmen über diesen Link vergeben.

Eine weitere Leistung des Vereins ist der jährliche Autorenkalender, in dem neben den Siegergeschichten aus dem Putlitzer Preis viele Ratschläge für Autorinnen und Autoren zu finden sind. Der aktuelle für das Jahr 2013 ist über den Verlag zu beziehen, oder über jede Buchhandlung oder Onlinebuchhandlung.


Mittwoch, 10. Oktober 2012

Fabelhaftes E-Book kostenlos


Ein ganz fabelhaftes E-Book gibt es kostenlos, nämlich »Musik, die uns bewegt«, mit Kurzgeschichten zu bewegender Musik.

Die Fledermaus und die zwo Wiesel

Es kam die Fledermaus in einer Wiesel Loch;
Die war den Mäusen feind, und sprach: Wie darfst du doch,
Der Mäuse Mißgeburt! dich meinen Augen weisen?
Wiewol du kömmst mir recht; ich wollte so schon speisen.

Was? schreit die Fledermaus, ich eine Maus? o nein!
Mein gutes Wieselchen, das mögt ihr selbst wol sein;
Die mich zur Maus gemacht, sind Lügner oder Feinde;
Die Kater unsers Dorfs sind meine besten Freunde.
Es lebe, was gut maust! Ihr wird zuletzt geglaubt;
Sie rettet unversehrt ihr unerkanntes Haubt;
Und doch geräth sie bald, durch ihr Gesicht betrogen,
In einer andern Bau; die war der Maus gewogen;
Ihr waren gegentheils die Vögel ganz verhaßt.
Sie fraß, in Hoffnung, schon den ihr zu schlauen Gast.

Es weiß die Fledermaus ihr glücklich zu entgehen.
Wofür denn, ruft sie aus, werd' ich jetzt angesehen?
Für einen Vogel? Ich? Du, Wiesel, irrest sehr.
Soll dies ein Fittig sein? Kennt man nicht Mäuse mehr?
Der erste Donnerschlag zerschmettre hier die Katzen!
Die Mäuse leben und die Ratzen!

Ein Kluger sieht auf Ort und Zeit,
Aus Vorsicht, daß man ihn nicht fange.
Er ruft mit gleicher Fertigkeit:
Es lebe Wolf! Es lebe Lange!


Friedrich von Hagedorn