Donnerstag, 9. August 2012

Der Palmbaum und der Luchs

Ein schön gefleckter Luchs legte sich, ermüdet von seiner Jagd unter einem etwas krumgewachsenen Palmbaum nieder, um in dessen Schatten der Ruhe zu genießen.
»Weg von mir, du Blutiger! rief der Baum ihm zu: Ich will meinen Schatten nicht durch einen solchen Grausamen entheiligt wissen.«
»Und solltest dir doch vielmehr Glück wünschen, hohnlachte der Luchs, daß ein Thier dich Krüppel mit seiner Gegenwart beehrt.«
»Mir Glück wünschen? Ha, wärest du so häßlich wie der Igel, du solltest mir willkommen seyn.«
*
Aber Schönheit bey boßhaftem Herzen ist jedem Redlichen ein zwiefacher Gräuel.

August Gottlieb Meissner
Wien, 1813

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