Dienstag, 17. Juli 2012

Der Tazzelwurm

Bildquelle: Wikipedia

Festlied bei Aufstellung des Herbergsschilds «Zum feurigen Tazzelwurm» am Bergwirtshäuslein zu Rehau, beim Übergang über die Audorfer Almen


Als noch ein Bergsee klar und gross
In dieser Täler Tiefen floss,
Hab' ich allhier in grosser Pracht
Gelebt, geliebt und auch gedracht
Als Tazzelwurm.

Vom Pentling bis zum Wendelstein
War Fels und Luft und Wasser mein,
Ich flog und ging und war gerollt,
Und statt auf Heu schlief ich auf Gold
Als Tazzelwurm.

Hornhautig war mein Schuppenleib
Und Feuerspei'n mein Zeitvertreib,
Und was da kroch den Berg herauf,
Das blies ich um und frass es auf
Als Tazzelwurm.

Doch als ich mich so weit vergass
Und Sennerinnen roh auffrass,
Da kam die Sündflut grausenhaft
Und tilgte meine Bergwirtschaft
Zum Tazzelwurm.

Jetzt zier' ich nur gemalt im Bild
Des Schweinesteigers neuen Schild,
Die Senn'rin hört man jauchzend schrei'n
Und keine fürcht't das Feuerspei'n
Des Tazzelwurms.

Und kommt so ein gelehrtes Haus
So höhnt's und spricht: «Mit dem ist's aus,
Der war ein vorsündflutlich Vieh,
Doch weise Männer sah'n noch nie
Den Tazzelwurm.»

Kleingläub'ge Zweifler! Kehrt nur ein
Und setzt auf Bier Tiroler Wein...
Ob Ihr dann bis nach Kufstein fleucht,
Ihr spürt, dass ich Euch angekeucht
Als Tazzelwurm.

Und ernsthaft spricht der Klausenwirt:
«Schwernoth! Woher sind die verirrt?
Das Fusswerk schwankt... im Kopf ist Sturm...
Die sahen all' den Tazzelwurm!
Den Tazzelwurm!»

Joseph Victor von Scheffel

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