Sonntag, 29. Juli 2012

Was ich selber tu, trau ich andern zu


Die Nachtigall saß in einem Garten und sang ihr Lied den Menschen zur Freude. Da kam die Elster und wollte wissen, warum die Nachtigall singe.
»Weil ich die Menschen damit erfreue«, sagte die kleine Sängerin.
»Und warum willst du sie erfreuen?« forschte die Elster weiter.
»Weil es gut ist, anderen Freude zu machen.«
»Aber warum tust du das Gute?«
»Um des Guten willen«, war die einfache Antwort der arglosen Nachtigall.
Da lachte die Elster höhnisch auf.
»Um des Guten willen!« äffte sie krächzend nach. »Um des Goldes willen singst du den menschen. Bestochen bist du, bestochen mit dem Golde der Menschen!«
Die Nachtigall würdigte die Verleumderin keiner Antwort und wandte ihr nur verächtlich den Rücken.
Die geschwätzige Elster aber eilte, ihren Schwerstern die große Neuigkeit zu erzählen, daß sich die Nachtigall von den Menschen habe bestechen lassen. Und weil die Elstern und alle, die ihnen verwandt sind, nichts ohne eigenen Vorteil unternehmen, so konnten sie sich in ihrer gemeinen Denkungsart auch gar nicht vorstellen, daß es einen Vogel gebe, der aus anderen als eigennützigen Motiven handle.
Sie hielten es deshalb für ausgemacht, daß die Nachtigall von den Menschen bestochen sein müsse; und sie verbreiteten diese Mär unter allen Vögeln.
Die Nachtigall aber ließ die Elstern schwätzen und sang ihr Lied den Menschen zur Freude…

aus: Mein Herz schlägt weiter

Samstag, 28. Juli 2012

Wie die »wahre Welt« endlich zur Fabel wurde

Geschichte eines Irrtums
  1. Die wahre Welt, erreichbar für den Weisen, den Frommen, den Tugendhaften, – er lebt in ihr, er ist sie.
  2. (Älteste Form der Idee, relativ klug, simpel, überzeugend. Umschreibung des Satzes »Ich, Plato, bin die Wahrheit«.)
  3. Die wahre Welt, unerreichbar für jetzt, aber versprochen für den Weisen, den Frommen, den Tugendhaften (»für den Sünder, der Buße tut«).
  4. (Fortschritt der Idee: sie wird feiner, verfänglicher, unfaßlicher – sie wird Weib, sie wird christlich...)
  5. Die wahre Welt, unerreichbar, unbeweisbar, unversprechbar, aber schon als gedacht ein Trost, eine Verpflichtung, ein Imperativ.
  6. (Die alte Sonne im Grunde, aber durch Nebel und Skepsis hindurch; die Idee sublim geworden, bleich, nordisch, königsbergisch.)
  7. Die wahre Welt – unerreichbar? Jedenfalls unerreicht. Und als unerreicht auch unbekannt. Folglich auch nicht tröstend, erlösend, verpflichtend: wozu könnte uns etwas Unbekanntes verpflichten?...
  8. (Grauer Morgen. Erstes Gähnen der Vernunft. Hahnenschrei des Positivismus.)
  9. Die »wahre Welt« – eine Idee, die zu nichts mehr nütz ist, nicht einmal mehr verpflichtend – eine unnütz, eine überflüssig gewordene Idee, folglich eine widerlegte Idee: schaffen wir sie ab!
  10. (Heller Tag; Frühstück; Rückkehr des bon sens und der Heiterkeit; Schamröte Platos; Teufelslärm aller freien Geister.)
  11. Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt blieb übrig? die scheinbare vielleicht?... Aber nein! mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!
  12. (Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrtums; Höhepunkt der Menschheit; INCIPIT ZARATHUSTRA.)
Friedrich Nietzsche

Montag, 23. Juli 2012

Vertrauen

Ein großer Sünder lag im Sterben.
»Bete, bereue!« flehten die Seinen ihn an, »in wenigen Augenblicken wirst du vor dem ewigen Richter stehen.«
»Den Allwissenden fürchte ich nicht,« sprach der Sünder und starb in Frieden.

Marie von Ebner-Eschenbach
Westermanns Monatshefte, 52. Jahrg.
104. Band, 1. Teil
April 1908 - Juni 1908, S. 131

Freitag, 20. Juli 2012

Der Junge und der Drache

Nur heute und morgen (20.-21.7.2012) kostenlos: Das E-Book mit neuen Märchen für Kinder:

Dienstag, 17. Juli 2012

Der Tazzelwurm

Bildquelle: Wikipedia

Festlied bei Aufstellung des Herbergsschilds «Zum feurigen Tazzelwurm» am Bergwirtshäuslein zu Rehau, beim Übergang über die Audorfer Almen


Als noch ein Bergsee klar und gross
In dieser Täler Tiefen floss,
Hab' ich allhier in grosser Pracht
Gelebt, geliebt und auch gedracht
Als Tazzelwurm.

Vom Pentling bis zum Wendelstein
War Fels und Luft und Wasser mein,
Ich flog und ging und war gerollt,
Und statt auf Heu schlief ich auf Gold
Als Tazzelwurm.

Hornhautig war mein Schuppenleib
Und Feuerspei'n mein Zeitvertreib,
Und was da kroch den Berg herauf,
Das blies ich um und frass es auf
Als Tazzelwurm.

Doch als ich mich so weit vergass
Und Sennerinnen roh auffrass,
Da kam die Sündflut grausenhaft
Und tilgte meine Bergwirtschaft
Zum Tazzelwurm.

Jetzt zier' ich nur gemalt im Bild
Des Schweinesteigers neuen Schild,
Die Senn'rin hört man jauchzend schrei'n
Und keine fürcht't das Feuerspei'n
Des Tazzelwurms.

Und kommt so ein gelehrtes Haus
So höhnt's und spricht: «Mit dem ist's aus,
Der war ein vorsündflutlich Vieh,
Doch weise Männer sah'n noch nie
Den Tazzelwurm.»

Kleingläub'ge Zweifler! Kehrt nur ein
Und setzt auf Bier Tiroler Wein...
Ob Ihr dann bis nach Kufstein fleucht,
Ihr spürt, dass ich Euch angekeucht
Als Tazzelwurm.

Und ernsthaft spricht der Klausenwirt:
«Schwernoth! Woher sind die verirrt?
Das Fusswerk schwankt... im Kopf ist Sturm...
Die sahen all' den Tazzelwurm!
Den Tazzelwurm!»

Joseph Victor von Scheffel

Sonntag, 15. Juli 2012

Drey Taube

Es haben oft zugleich der Leser und der Dichter,
Und auch der Criticus kein zuverläßig Ohr.
So lud vor einen tauben Richter
ein Tauber einen Tauben vor.
Der Kläger sagt: Auf meinem Felde
Hat er dem Wilde nachgehetzt.
Beklagter: nein; von seinem Gelde
War längst das Drittheil abgesetzt.
Der Richter sprach: Das Recht der Ehen
Bleibt heilig, alt und allgemein.
Es soll die Heirath vor sich gehen,
Und ich will bey der Hochzeit seyn!

Hagedorn
Versuch in poetischen Fabeln und Erzehlungen

Freitag, 13. Juli 2012

Vom Fuchs und dem Bock

Ein Fuchs und ein Bock sprungen vor Durst in einen Brunnen / damit sie trincken möchten / nachdem sie aber getruncken hatten / kunten sie nicht wieder heraus / wie wohl sie es auf allerhand Weise versuchte; da sprach der Fuchs zum Bock / mein Freund / sey gutes Muths / es ist mir ein unfehlbares Mittel eingefallen / durch welches wir aus disem schlimmen Ort kommen mögen. Du must dich mit deinen fodern Füssen an die Maur spreitzen / und ich will auf deine Schultern / und hernach herausspringen / so bald aber ich draussen seyn werde / will ich dich auch heraus ziehen. Der Bock trauete dem Rath des Fuchses / und thäte / wie er ihm gesagt hatte. Da der Fuchs sich frey sahe / fieng er an vor Freuden um den Brunnen zu springen und zu tanzen / und spottete des Bocks / bekümmerte sich auch wenig ihn heraus zu ziehen / deßwegen ihn der Bock einen Betrüger und Treulosen schalte / weil er ihm die gegebene Parole nicht gehalten. Aber er antwortete ihm; O du guter Bock / wann du so viel Hirn im Kopffe hättest / als Haare du im Barte hast / wärest du nicht hinunter gesprungen / wan du nicht vorher wohl betrachtet / wie du wieder heraus kommen köntest.

Lehre
Ein Mensch soll nichts vornehmen / er habe dann vorher das End betrachtet.

Autzerlesene Fabeln

Aus dem Frantzösischen in das Italienische durch den Herrn de Veneroni, Sprach-Meistern zu Paris: Und dann durch Herrn Balthas Nickisch, Sprach-Meistern zu Augspurg ins Teutsche übersetzt. Alles mit Kupffer-Stücken bey einer jeden Fabel ausgezieret: der Sprach-liebenden und Kunst-geneigten Jugend zu nützlicher Ergötzlichkeit
Zu Augspurg bey Johann Ulrich Krauß, Burger und Kupfferstecher daselbst, 1718

Donnerstag, 12. Juli 2012

Die beiden Maler


gesehen in Paris, April 2012 (Montmartre)

Der Eine.
Mein Herr! zu allen diesen Stücken,
Die Sie hier aufgestellt erblicken,
Hab’ ich nicht mehr gebraucht, als nur drei Tage Zeit.
Ich bin nun einmal schon in dieser Fertigkeit;
Ein anderer wird das nicht wagen.

Der Andere.
Das freilich nicht; ich will es gern gestehen.
Allein es ist, wenn sie es gleich nicht sagen,
Auch Ihren Stücken anzusehn.

Johann Gottlieb Willamov (1736 − 1777)
Dialogische Fabeln, Berlin, 1791

Dienstag, 10. Juli 2012

Der Hund und der Ochse


Die Missgunst und der Geiz sind zwey verwandte Laster,
Und sie bekriegen uns in fester Einigkeit.
Stets ist ein Herz, das sich dem einen weiht,
Zum günstigen Empfang des andern auch bereit.
Den geizgen Orgon macht der Neid
Noch geiziger, doch auch verhaßter.
er spart nicht Meineid und Betrug,
Und sammelt Geld, es zu vergraben.
Er habe noch so viel; er hat doch nicht genug,
So lang auch andre noch was haben.
Er, Hüter seines Gelds, hält stets, wie Aesops Drache,
Bey seinem goldnen Bließe Wache,
Weil, was er selbst nicht nützt, kein andrer nützen soll.
Er und Aesopens Hund sind gleicher Thorheit voll,
Der unbefohlen Heu bewachte,
Der seinen Schober nicht verließ,
Und, als des Hungers Trieb ein Rind zum Heue brachte.
Ihm bellend seine Zähne wies.

Dort redete den Hund der Ochse zornig an:
Wie thöricht ist der Neid, der geizig mir verwehret,
Was dir nicht nützt, was keine Hunde nähret,
Und was doch Rindern nützen kann!
Fast eben so kann man zum Orgon sagen:
Was hast du doch für Lust, dein eigenes Herz zu plagen?
Du ruhtest nicht, bis du gewannst,
Was du, du Hungerer, doch nicht gebrauchen kannst.
Dein Schatz, der dich so manchen Schweiß gekostet,
Liegt müssig nun im Kasten, und verrostet.
Du Narr! laß andern doch, die klüger sind, als du,
Das Geld, das dir nicht nützt, den Räuber deiner Ruh.
Itzt gönnet es dein Neid auch nicht einmal den Erben,
Jedoch ihr Trost ist: Du wirst sterben.
Wie werden sie sodann sich deiner Thorheit freun!
Itzt könntest du noch Dank erwerben.
Sie werden, wenn du stirbst, noch deine Spötter seyn.
Du willst nicht? Wohl! So geh, sperr es noch fester ein!
Laß hundert Schlösser es verschliessen.
Die Erben werden sie schon einst zu öffnen wissen.

Johann Adolf Schlegels
Fabeln und Erzählungen
Leipzig, 1769

Freitag, 6. Juli 2012

Der Maulwurf und der Gärtner


»Halt!« rief ein Maulwurf zu einem Gärtner, der ihn mit dem Grabschend tödten wollte, – »schone meiner,  – du bist mit Dank schuldig; indem ich dich gegen deine ärgsten Feinde – gegen die RegenWürmer – schütze, welche die zartesten Würzen abfressen.«
»Ich verwünsche deinen Schutz, denn während du mich schützest, verheerest du mir Blumen und KräuterBeeten,« sprach der Gärtner, und schlug den Maulwurf todt.
-
So verheeren auch die Soldaten im Krieg des Untertanen gut, während sie es verteidigen.

Joseph Krause
Fabeln für unsre Zeiten und Sitten
Strasburg und Mainz, 1801

Donnerstag, 5. Juli 2012

Noch ein fabelhaftes Angebot

Auch das »Wintermärchen« ist für zwei Tage kostenlos im Amazon kindle Shop zu bekommen (5.7.-6.7.2012). Es ist zwar noch Sommer und längst der Herbst nicht in Sicht, aber die Erzählung ist gewissermaßen zeitlos.

Der Hahn und die Perle



Beim Wühlen in der Düngerpfütze
fand eine Perle einst der Hahn
und sprach: »Was ist denn da daran?
Das Ding ist gar nichts nütze!
Ist's eine Torheit nicht, daß man so hoch es schätzt?
Mich hätte in der Tat unendlich mehr ergötzt
ein Gerstenkorn – wenn's auch den Glanz nicht hat,
es macht doch satt.«

So urteilt auch der Ignorant:
Wovon er nichts versteht, das ist ihm bloßer Tand.

Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln, Leipzig 1874
Original: St. Petersburg 1843
Übersetzer: Ferdinand Löwe

Mittwoch, 4. Juli 2012

Ein fabelhaftes Angebot

Für zwei Tage – also vom 4.7. - 5.7.2012 - gibt es »Hebberts Kriminalfälle - Folge 1« als E-Book im kindle Shop bei Amazon kostenlos. Kriminalfälle aus dem Ruhrgebiet in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die Dohle und der Sperling


Die Dohle trug, was sie nur fand
An alten Scherben, Glas und Band
Aufs Dach, an einen sichern Ort.
Das sah ein Spatz und nahm das Wort
Und fragte voller Neubegier:
»Sag’, wozu dient der Trödel dir?«
Die Antwort war: »Einfält’ger Spatz,
für Trödel hältst du meinen Schatz,
Weil er nicht zu gebrauchen ist?
Man merkt’s, daß du kein Kenner bist.«

Neues Fabelbuch
Von Julius Sturm
Leipzig, 1881

Dienstag, 3. Juli 2012

Morgengesang der Nachtigall


Weißt du, was die Nachtigall singt? An jeglichem Morgen
Singt sie: „Wer bist du, Mensch, daß dich die Liebe nicht weckt?
Siehe, das Lüftchen weht, es säuseln die Blätter der Bäume;
Jegliche Blume fühlt sich neu gestärkte und jung;
Jegliches Blatt der Rose wird Zunge, den Schöpfer zu preisen,
Zunge wird jegliches Laub; – und du verstummest, o Mensch?“

Johann Gottfried Herder

Montag, 2. Juli 2012

Fabel von der Fuchs und dem Katzen


Ein fuchs trabet über ein heid
und het ausgespecht auf der weid
vor einem walt der gens ein hert.
dem begegnet da on gefert
ein katz, die auch zu felt war gangen,
ob sie ir möcht der feltmeus fangen,
darmit sie iren hunger büßet.
der fuchs sprach: schwester, sei gegrüßet.
die katz im danket widerum
und hieß den fuchs auch sein wilkum.
nach dem sprach er der katzen zu:
sag an, mein schwester, was kanst du
für künst und was hast du gelert,
darmit du wertst auf ert ernert
und vor unfal schützst leib und leben?
da tet die katz im antwort geben:
mein herr fuchs, ich hab gar kein kunst
auf diser ert gelernet sunst,
den die mir hat einpflanzet nur
die herrlich mutter der natur,
das ist springen und bhendigkeit,
darmit ich fach in diser zeit
die meus, darmit ich mich erner.
darzu sagt der fuchs aber mer:
kanst du nichts den bhent sein und springen,
so wirt dein leben balt mislingen;
weil du sonst nichtsen kanst den das,
so bist unkönnent übermaß,
schlecht, beurisch und einfeltig gar.
sie sprach: mein herr fuchs, das ist war,
ich kan ie warlich nichtsen sunst;
ich bit aber, sag, wie vil kunst
kanst du, mein herr, gerecht und gut?
da antwort der fuchs in hochmut:
der künste der kan ich wol hundert,
allerlei art, fein ausgefundert,
nicht mittelmeßig, sonder wol.
wie man die kunst denn können sol,
die ich alle tet jehling leren;
der iedwede kan mich erneren
aus sorgen, angst und hungers not,
wenn schon vor augen wer der tot.
die katz sprach: domine doctor,
du gest mir weit mit künsten vor,
mir einfelting, kunstlosen armen,
die ich muß sterben on erbarmen;
dir aber gebürt langes leben,
weil du mit vil kunst bist umbgeben
und wirst überal wol gehalten,
erlich bei jungen und bei alten,
ich aber wert veracht aldo.
der fuchs der sprach: es reucht also.
nach dem da sprach die katz allein:
mich bedunkt in den augen mein,
wie ich sech aus dem walt von weiten
ein weidman gegen uns her reiten,
der fürt mit im zwen fraidig hunt,
welche vormals und auch iezunt
gewest sint unser ergste feint.
der fuchs sprach: aus dein worten scheint,
das du forchtsam und töricht bist
und einfeltig zu aller frist;
ob dus gleich sichst und sagst gleich war,
stunt uns doch darauf kein gefar;
ich weiß durch kunst in zu entrinnen.
die katz sprach: herr, das wirst wol innen.
als in der jeger nun war nahen,
und die hunt den fuchsen ersahen,
da fiengens gschwint auf in zu laufen
mit lautem gelzen und mit schnaufen,
zu fahen beid katzen und fuchs;
derhalb groß forcht in in erwuchs.
er sprach: uns ist zu fliehen not.
die katz die sprach: du treibst den spot,
förchst du dich bei den künsten dein?
der fuchs sprach: fliehens wirt not sein,
weil uns die hunt kommen genau.
ein ieder nun selbs für sich schau!
sprach die katz und sprang auf ein baum
und den hunden entran gar kaum.
der fuchs aber die flucht gab balt
gen berg auf zu dem dicken walt,
die hunt im aber kamen nahen
und nach im schnappten, in zu fahen.
das sach die katz hoch auf dem baum
und schrei: doctor fuchs, dich nit saum,
zeuch eine deiner künst herfür,
es tut dir not, als ich wol spür,
wan es ist dir zu ferr der walt,
wo du das tust nicht eilent balt,
so wirst von hunden du zerrißen:
was hilft dich denn vil künsten wißen?
der fuchs lof schnell und war nit faul,
schlug den hunden sein schwanz umbs maul,
darmit er sie im laufen blent;
doch ergriffens in an dem ent.
die katz schrei: bruder fuchs mit nam,
wo kom wir auf das nechst zusam?
der fuchs sprach: o des ich nicht weiß,
etwan beim kürßner in der beiß,
da wert wir wider kommen zsam.
darmit ir gsprech ein ende nam.

Der beschluß
Bei der alten fabel gedicht
wert wir zweierlei leut bericht.
die ersten uns der fuchs bedeut,
das sint künstner und rümisch leut,
die viler künst sich rümen vol,
der sie doch keine können wol;
haben keine gelernet aus,
das sin möcht tragen brot ins haus,
wie man denn sagt von solchem stück:
acht hantwerk, neunerlei unglück;
fahen vil an, bringen zum ent
doch kein werk mit munt oder hent,
verachten schlecht einfeltig leut.
werden durch die katzen bedeut,
die sich in der einfalt ernern,
achten nicht hoch rümlicher ern,
sonder nur was ist not und nutz
und in dienet zu irem schutz;
der einig kunst gebrauchen sie,
darmit sie sich behelfen hie
on allen rum vor ungemachs
mit weib und kinden, spricht Hans Sachs.

Anno salutis 1558., am 17. tage Junij.

Hans Sachs