Sonntag, 4. Dezember 2011

Würdigung einiger andern Fabeln über die Erfindung der Buchdruckerkunst


I. Der Engländer Richard Atkyns verbreitete seit 1664, durch seine in diesem Jahre erschienene Schrift: The original and growth of printing, ein absurdes Mährchen, nach welchem die Erfindung der Buchdruckerkunst zwar zu Harlem, allein nicht durch Koster, sondern durch Johann Gutenberg gemacht worden seyn soll. Er behauptet in derselben, von einem Freunde die Abschrift eines Manuscriptes aus der Bibliothek des Erzbischofs von Canterbury in Lambeth-House erhalten zu haben, in welchem erzählt werde, Heinrich VI, König von England, habe auf den Rath des Erzbischofs von Canterbury, zwischen 1454 und 1459, seinen Kammerdiener Turnour und den Kaufmann William Carton mit vielem Geld nach Harlem geschickt, um einen oder mehrere Gehülfen aus der Officin des Johann Gutenberg, welcher daselbst die Buchdruckerkunst kürzlich erfunden hätte, zu gewinnen und nach England zu bringen; Tournour sey verkleidet mit abgeschorenem Haar und Bart, Carton aber, in Holland schon bekannt, unverkleidet abgereist in Amsterdam angekommen, hätten beide sich vorerst nach Leyden begeben, nicht wagend, nach Harlem selbst zu gehen, weil diese Stadt sehr eifersüchtig (very jealous, was Herr Ebert aufgegriffen hat) gewesen sey, und mehrere Fremden, die zu demselben Zwecke gekommen waren, habe aufgreifen und einkerkern lassen; dort hätten sie 1000 Mark zu Geschenken verwendet, dann noch 500 Mark vom König geschickt bekommen, und so sey es ihnen endlich gelungen, durch die Vermittelung zweier Holländer einen Untergehülfen Ramens Friedrich Corsellis zu verführen, welcher sich nächtlicher Weile fortgeschlichen, in ein bereitliegendes Schiff gestiegen, und nach London abgefahren sey; von dort sey er mit Wache nach Oxford gebracht worden, wo er eine Buchdruckerei errichtet habe, ehe noch eine Presse, oder ein Buchdrucker in Frankreich, Spanien, oder Deutschland existirte, mit Ausnahme der Stadt Mainz, welche auf die Priorität ihrer Druckerei sogar gegen Harlem selbst Anspruch mache, und sich artis typographicae inventrieem primam nenne, doch wisse man, daß es anders sey, da diese Stadt die Kunst von dem Bruder und Schüler eines Arbeiters der Harlemer Officin erhalten habe …


J. Wetter, Kritische Geschichte der Erfindung
der Buchdruckerkunst durch
Johann Gutenberg zu Mainz, 1836

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