Donnerstag, 31. März 2011

Sumerische Fabeln

Bildquelle: Wikipedia

Die ältesten bekannten Fabeln stammen aus Mesopotamien und wurden in sumerischer Sprache verfasst. Früheste Texte datieren bereits aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. Die meisten Texte sind aber ein Jahrtausend jünger und kommen aus den babylonischen Schreibschulen. Einige der Fabeln des Aesops weisen Parallelen zu diesen sumerischen Fabeln auf, ebenso wie manche Fabeln aus dem indischen Panchatantra. Sumerische Fabeln enthalten Interaktionen zwischen zwei Tieren, die belehren und erheitern sollen. Sie sind den späteren äsopischen Fabeln ähnlich, enthalten aber nicht deren explizite moralische Auslegung. Eine dieser Fabeln enthält das älteste bekannte Wortspiel:

Ein Löwe hatte ein hilfloses Zicklein gefangen und es sagte zu ihm: «Lass mich gehen und ich werde dir dafür meine Kameradin, das Mutterschaf geben.» Der Löwe entgegnete: «Wenn ich Dich gehen lasse, dann sag mir zuerst Deinen Namen!» Das Zicklein antwortete dem Löwen: «Du kennst nicht meinen Namen? Ich-bin-klüger-als-Du (ummu-mu-e-da-ak-e) ist mein Name.» Nachdem der Löwe zum Schafpferch gekommen war, brüllte er: «Ich habe Dich freigelassen!» Es antwortete von der anderen Seite: «Du hast mich freigelassen, aber warst Du klug (ummu mu-e-ak)? Denn die Schafe sind nicht hier!» [Berndt Alster: Wisdom of Ancient Sumer, S. 362]

Auch Streitgespräche finden sich und sogenannte Wellerismen, kurze Szenen mit einem Tier als Sprecher, aber ohne weiter gehende Handlung.

Horst-Dieter Radke

Dienstag, 22. März 2011

Glücksgüter

Wunderbar sind die Schätze verteilt: der Arme hat wenig;
Nichts der Bettler; zu viel der Reiche; genug - o nicht Einer!

Johann Friedrich August Kazner
(1732- 1798)
aus: Fabeln, Epigrammen Und Erzählungen (1786)

Sonntag, 20. März 2011

Fabelhafte Buchmesse in Leipzig

Standdekoration des 42er Autoren e.V. Standes

Zum zweiten Mal hat der 42er Autoren e.V. einen Stand auf der Buchmesse in Leipzig gehabt. Ziel war es, andere Autoren anzusprechen und mit anderen Persönlichkeiten des Literaturmarktes ins Gespräch zu kommen. Wie im Jahr zuvor war das Interesse an einem Autorenverein groß. Gespräche drehten sich um alle Facetten des Autoren- und Autorinnen-Daseins, insbesondere auch um den mühseligen Weg, der gegangen werden muss, bis das Buch veröffentlicht ist und im Regal des Buchhändlers steht. Allerdings stehen an diesem Weg viele, die Autoren abfangen wollen, um von Ihnen zu profitieren.


»Verlag sucht Manuskript« - nur ganz
spezielle Dienstleister werben auf diese Weise.

Die so genannten Druckkostenzuschussverlage fordern veröffentlichungswilligen Autoren dabei mehr als nur einen Zuschuss zu den Druckkosten ab. Wir haben das in einer Aktion, betitelt mit »Rico Beutlich« schon im letzten Jahr deutlich gemacht. Solche Verlage geben zwar an, Manuskripte zu suchen, aber letztendlich ist es ihnen egal, welche Manuskripte kommen. In Wirklichkeit suchen Sie Autoren, die zu zahlen bereit sind. Auf der Buchmesse konnte man viele Autoren mit bunten Taschen solcher Verlage herumlaufen sehen. Dabei macht sich wohl niemand klar, dass die Verlage diese Taschen (und Kugelschreibe und was sonst nach alles verschenkt wurde) von den Autoren bezahlt wurden und keinesfalls aus Gewinnen, die über Buchumsätzen über den Buchhandel und Onlinebuchhandel realisiert wurden.


Abends, nach der Messe, stolpert man in Leipzig
natürlich auch ständig über »Literatur«.

Schön war es jedenfalls auch zu sehen, dass sich neben den »Großen« auch kleine Verlage mit originellem Konzept weiter etablieren konnten. So etwa Stories & Friends, die themenorientierte Kurzgeschichtenbände herausbringen, nicht wenige davon »mit Geschmack«.

Ich freue mich schon auf die Leipziger Buchmesse 2012


Horst-Dieter Radke

Donnerstag, 17. März 2011

Henne und Marder


121.

Die Henne war einst krank: der Marder kam, steckte
Den Kopf herein und frug: »Wie geht’s? Woran fehlt dir’s?
Ich will dir Alles geben: nur gesund werd’ mir!«
Sie sagte: »Geh’ nur fort! Dann muß ich nicht sterben.«

Johann Adam Hartung
aus: Babrios und die älteren Jambendichter
Leipzig, 1858

Dienstag, 15. März 2011

Der Vorteil der Wissenschaft

Einst haben sich zwei Bürger einer Stadt
Beständig um den Rang gestritten;
Der eine war ein reicher Nimmersatt,
Unwissend und von groben Sitten,
Der andre arm, doch groß an Geistesgaben.
Der Reiche wollte alle Ehre haben;
Er meinte, jeder sei verpflichtet gar,
Ob seiner Schätze ihn zu preisen.
Was soll man Gütern, des Verdienstes bar,
Achtung wie edlem Geistesgut erweisen?
So frage ich. Der Dumme aber war
Ganz andrer Meinung, und er sprach zum Weisen:
»Mein Freund, Ihr haltet Euch für wert,
Doch kann man je bei Weisen trefflich speisen?
Was nützt belesen sein und hochgelehrt?
Man muß zu Euch ins dritte Stockwerk reisen,
Ihr kleidet Euch im Winter wie im Mai
Und habt nur Euren Schatten als Lakai.
Wie sollte wohl ein Staat bestehen können
Von Leuten, die sich keinen Luxus gönnen?
Brauchbare Bürger müssen Geld verbreiten!
Seht uns, wie wir durch Lustbarkeiten
Der ganzen Stadt Verdienst bereiten,
Dem Künstler wie dem Handelsmann,
Dem, der die Röcke macht, und denen, die sie tragen!
Dagegen Ihr? Ihr fertigt Bücher an,
Die mit den Namen hoher Gönner prahlen
Und die wahrhaftig sonst nicht viel besagen,
Als daß Belobte Schlechtes gut bezahlen.«
Es fand der unverschämte Redeschwall,
Was er verdiente: keinen Widerhall!
Der Weise schwieg, er sparte sich sogar
Eine Satire, die gewiß am Platze war.
Weit besser rächten ihn die Kriegesplagen,
Die bald darauf der Feind ins Land getragen.
Die Stadt wird eingenommen und zerstört,
Schutt ist die Pracht, die jenem Protz gehört,
Und wie der Arme muß auch der Verarmte fliehn.
Er irrte um und wußte nicht wohin.
Man wies Unbildung allerorten ab,
Indes dem Weisen gern man Hilfe gab,
Denn Wissen wurde allerorts geschätzt.
Und das entschied den Streit zu guter Letzt.

Was auch die Dummheit knurrt und bellt,
Die Wissenschaft gilt mehr als Geld.

Jean de Lafontaine
Übers.: T. Etzel

Montag, 14. März 2011

Werwolfsfabeln


[...]In der altgermanischen Götterwelt wird der Wolf, das Tier Wodans, eher geachtet als verabscheut; letzteres geschieht erst viel später, nachdem die christliche Lehre den Götterglauben unserer Vorfahren verdrängt hatte. Nun verwandelte sich Wodan in den „wilden Jäger“ und seine Wölfe in dessen Hunde, bis zuletzt aus diesen der gespenstische Werwolf wird: ein Ungeheuer, zeitweilig Wolf, zeitweilig Mensch, Blindgläubigen ein Entsetzen. Noch heute spukt die Werwolfsfabel in verdüsterten Köpfen und flüstert das Volk sich zu, durch welche Mittel das gespenstische Ungeheuer zu bannen und unschädlich zu machen sei.[...]
Alfred E. Brehm
Brehms Tierleben
Säugetiere 2.
Leipzig und Wien 1890, S. 21.

Fabeln von griechischen Schriftstellern, oder in griechischer Sprache

Die spätern, griechischen Rhetoriker haben die Fabel auf mancherley Art eingetheilt. Hermogenes (dem Priscian zu Folge) unterschied Aesopische, Cyprische, Libysche und Sybaritische, so wie Aphtonius […] Sybaritische, Cilicische, Cyprische und Aesopische und Theo […] Aesopische, Libysche, Sybaritische, Prhygische, Cilicische, Carische, Aegyptische und Cyprische von einander unterscheidet. Je nachdem blos der Mensch, oder blos Thiere, oder so wohl vernünftige, als vernunftlose Wesen in diesen Fabel aufgeführt wurden, nannten sie solche vernünftige, sittliche, oder vermischte Fabeln; und zu den erstern scheinen die Sybaritischen, zu den zweyten die Cilicischen und Cyprischen, un dzu den letztern die Aesopischen und Phrygischen gerechnet worden zu seyn, … ob sie gleich übrigens diese ihre Benennung eigentlich von ihren Urhebern, oder von dem Vaterlande derselbern erhalten hatten […]

Allgemeine Theorie der Schönen Künste
von Johann George Sulzer
Zweyter Theil

Freitag, 11. März 2011

Das Grab

Brahma
Bildquelle: Wikipedia
Dritte Parabel

1814

Still und voll Wehmuth wandelte der Brame in seinem einsamen Thale und gedachte der geprüften duldenden Fürstin, siehe, da erhob sich von neuem ein furchtbarerer Krieg. Der gewaltige Verderber brach auf von Abend her mit seiner wilden Heerschaar, das Land gegen Morgen zu verwüsten. Und was er mit Schmach und Hohn begann, gelang ihm, aber die Menschheit erseufzte.
Da flehete der Greis Tag und Nacht zu Brama für Wikrama den Gerechten und für Sakontala, die holdselige Fürstin. Aber sein Gebet ward nicht erhört, und das Getümmel des Krieges wälzte sich wie ein Strom bis an das Thal des Braminen, und das Land erlag unter der Geißel des Drängers.
Da floh der Brame trauernd in das wilde Gebirg‘ und wohnte zwischen den Felsen und verschmähete, ein menschlich Antlitz zu schauen. Denn seine Seele war voll Gram und wünschte zu sterben.
Aber sein Wunsch ward nicht erfüllt und er wohnete einsam zwischen den Felsen mehrere Jahre lang. Plötzlich erscholl ringsumher aus der Ferne ein freudiges Getön von Siegesjubel und Friedensgesängen mit Cymbeln und Drommeten.

Da neigete sich der Greis mit seinem Angesicht zur Erde und betete an, stand auf und salbte sein Haupt und sprach: Ehe denn ich sterbe, muß ich den Sieg der Gerechten und das Antlitz der Königin schauen!
Darauf füllte der Brame von neuem sein Körbchen mit den schönsten Frühlingsblumen des Thals und bedeckt‘ es mit den jungen Sprößlingen des Oel- und Palmbaums und dem duftenden Laube der zarten Mirte. Nun wandte er eilends sein Angesicht zur Königsstadt, und wandelte schweigend zwischen den jauchzenden Schaaren des Volkes.
Als er nun in die Thore des Palastes trat, da erheiterte sich das Angesicht des Greises, und er that seinen Mund auf und sprach zu den Dienern des Königs: Geleitet mich zu der Königin, daß ich mein Opfer ihr bringe Ich habe seit sieben Jahren die Welt nicht gesehen.
Da er diese Worte geredet, sahen die Diener ihn an, und sie verstummten und weinten. Der Brame aber sprach: Was weinet ihr, und wie ist euer Angesicht verwandelt?
Da antworteten die Diener und sprachen: Bist du denn ein Fremdling auf Erden, daß du allein nicht weißt, was geschehen ist? – Und sie führten ihn zu dem Grabe der Fürstin. Siehe, sprachen sie, ihr Herz ist gebrochen! – Und sie vermochten nicht mehr zu reden und weineten.
Da verklärte sich das Angesicht des Greises, und sein Auge glänzte wie eines Jünglings, und er erhob sein Haupt und sah auf gen Himmel und sprach: Seh‘ ich nicht Brama’s Thron und den Glanz des ewigen Lichtmeers, das ihn umschwebet! Und Sakontala ruhet vor ihm auf des Morgenroths duftigem Gewölk und blicket hernieder. – Des versöhnten Vaterlandes reinstes Opfer strahlet sie nun als Priesterin des himmlischen Friedens – Verklärte, sieh, auch jetzt noch weih‘ ich dir die irdischen Blumen. –
Darauf schwieg der Greis und neigte sein Angesicht über das Grab und die Blumen. Da erhob sich ein lindes Säuseln; und Brama lösete seine Seele.

Parabeln
von Dr. Friedrich Adolph Krummacher
Essen, 1829

Donnerstag, 10. März 2011

Der Edelstein

Sakuntala schaut zurück
Raha Ravi Varma (1848 - 1906)
Bildquelle: Wikipedia

Zweite Parabel

1807

Sakontala, die schönste und liebenswürdigste unter den Königinnen Indiens, feierte den Tag ihrer Geburt mit Thränen und stillem Gebet zu Brama. Denn es hatte ein furchtbarer Krieg das Land verheert, und der Herrscher Indiens, ihr Gemahl, war ferne von ihr im Gewühl der Schlachten. Aber, was ihren Schmerz noch herber machte, viele der Getreuen des Landes waren im Streit gefallen, und andere Diener des Königs, obwohl er sie mit Wohlthaten und Ehre gekrönet hatte, waren abtrünnig und in dem Undank und der Feigheit ihres Herzens offenbaret worden zur Zeit der Gefahr. Darum weinete Sakontala im Stillen und der Tag ihrer Geburt war ihr wie ein Tag des Todes.
Da trat der dienenden Frauen Eine herein zu der traurenden Fürstin und sprach: Siehe, der Brame ist da, der dir die Blumen seines Thals überreichet.
Aber Sakontala seufzte und sprach: Wie könnten Blumen mein zerrissenes Herz erfreuen und mir ein Schmuck seyn zu meinen erblaßten Wangen? - Jedoch, - sagte darauf die holde Königin - führet ihn zu mir, damit ich aus seiner Gabe erkenne, daß in meinem Kummer die Liebe treuer Einfalt mir bleibet.
Der alte Bramin kam und verneigte sein Angesicht und sprach: Siehe du freundliche Herrscherin und Mutter deines Vokes, deine Leiden haben dir nicht die Herzen der Bewohner des Thals entfremdet, wo du einst wandeltest, als noch der erste Lenz des Lebens dir lächelte. Denn der Wechsel des wankelmüthigen Glückes mag die Bande treuer Liebe nicht lösen; wohl schlingt er sie fester. – Doch Blumen bring‘ ich dir nicht. Sie sind zertreten in unserm Thale, aber sie werden schöner aufblühen, wenn Brama nach dem Sturme den Lenz hernieder sendete. Ich bringe dir das Köstlichste, was unser Thal erzeugte - einen Edelstein, so schön als jemals Indien einen sah.
Die unvergleichliche Herrscherin blickte schweigend und voll Verwunderung den Bramen an.
Er aber redete ferner und sprach: Blumen weihete ich dir, als noch auf deinem schönen Antlitz der jugendliche Glanz ungetrübter Freuden blühete. Aber Brama hat dir Leiden gesendet; ich sehe deine Wange umhaucht von der Blässe des stillen Kummers; ich wußte, daß du mit Thränen den Tag deiner Geburt begrüßen würdest. – Schönen Seelen sind sie ein Thau des Himmels, der ihre Blüthe vollendet. – So heiliget Brama seine Lieblinge! Siehe, darum bring‘ ich dir nun das Edelste, was die Natur erzeugt.
So sprach der Brame und setzte mit freundlicher Ehrfurcht ein Kästchen von Ebenholz zu den Füßen Sakontala. Herrlicher strahlte das edle Gestein in der dunklen Umfassung.
Da neigte die Königin ihr Antlitz und schauete auf das Kästchen und den edelen Stein, der es mit seinen Strahlen erfüllete. Und eine helle Thräne sank von ihren Wangen hernieder.
Der Bramin aber kehrt ein das einsame Thal zurück, und wandelte still und voll Wehmuth. Denn er hatte die Thränen Sakontala’s gesehn.

Parabeln
von Dr. Friedrich Adolph Krummacher
Essen, 1829

Mittwoch, 9. März 2011

Das Geschenk des Bramen


Shakuntala mit Freundinnen
Ravi Varma (1848 - 1906)
Bildquelle: Wikipedia

Erste Parabel
1806

Sakontala, die liebenswürdigste und geliebteste aller Königinnen, die jemals Indiens Thron zierten, die holde Gattin des edeln Fürsten Wikrama, feierte einstmal den fröhlichen Tag ihrer Geburt. Und die Freude erscholl in den Hütten und Pallästen des ganzen Landes, aber lebendiger und zarter tönete ihr Laut in jeglichem Herzen.

Denn das Antlitz der Königin war schön und sanft, und der Blick ihres Auges strahlte milde und lieblich, wie die Abendsonne, wenn sie hinter das Gebirge sich neiget, und den Thau und Kühlung hernieder sendet, und die Berg‘ und Thäler feuchtet von oben her.

Also war auch das Antlitz Sakontala. Darum schauten Indiens Bewohner kindlich zu der unvergleichlichen Fürstin empor mit Liebe und Dank, und brachten köstliche Gaben allerlei Art, die schönsten Gewächse des Landes, und Salben und Gold und Edelsteine; andere aber fleheten Segen von Brama.

Siehe, da trat zu der Feiernden, die sich in den Thoren der Fürstin versammelt hatten, auch ein Brame, der trug in seinen Händen ein Körblein von Binsen geflochten und einfaches Moos bedeckte den Rand des Körbleins.

Da sprachen die Diener des Hofes, die in den Hallen standen: Wird sich der Brame dem Glanz des Thrones nahn mit seinem Körblein von Binsen geflochten und mit kräuslichem Moose verbrämt? …

Aber der Brame nahete sich freimüthig und stellete das Körblein zu den Füßen Sakontala und sprach: Siehe du freundliche Herrscherin und Mutter deines Volkes, diese Binsen des Körbleins, und das zarte Moos der Hügel, und diese einfachen Blümchen sind jenem fernen Thale an der äußersten Gränze deines großen Gebiets entsprossen, wo dein Fuß wandelte, als noch der erste Lenz des Lebens dir lächelte.

Also redete der Brame, und das Körblein stand zu den Füßen Sakontala.

Da neigte die Königin ihr Antlitz und schaute auf das Körblein und auf die Blümchen, die es erfülleten. Und sie lächelte hernieder voll Anmuth auf die Blumen des Thales ihrer Jugend. –

Der Brame aber kehrte in das einsame Thal zurück und die Herrlichkeit des Feldes dünkt‘ ihm schöner. Denn er hatte das lächelnde Antlitz Sakontala gesehen.

Friedrich Adolph Krummacher
aus: Parabeln
Essen, 1829

Montag, 7. März 2011

Parabel

Einst winkte Zeus aus seinen Wolkenhöhen,
Und goldgelockt trat Hymen vor ihn hin,
geh, nimm die Herrschaft über alle Ehen,
Mach‘, daß die Liebenden sich nimmer fliehn.
Der Gott enteilt zum Bruder mit dem Bogen,
Erzählt, was ihm der Herr geboten hat,
Ach, oft hast du mich Armen schon betrogen,
ich bitte nur dich, schaff mir diesmal Rat.

Und Amor sprach: Ich will die Ketten binden,
Die ewig fesseln, was sich einmal fand;
Selbst ging er hin, das feste Band zu winden,
Von Rosen wand der kleine Gott das Band.
Ach, legtest du nur damals ab die Binden,
Am Rosenband blieb mancher Dorn zurück,
Drum konnt‘ ich nie ein trautes Pärchen finden,
Dem einmal nicht ein Dorn getrübt das Glück.

Wilhelm Hauff
(1802 - 1827)

Samstag, 5. März 2011

Die Fischer


Äsop:

Einmal waren Fischer auf Fang ausgefahren, hatten sich lange geplagt und nichts gefangen, nun saßen sie in ihrem Kahn und bliesen Trübsal. In diesem Augenblick erschien mit viel Getöse ein Thunfisch, der verfolgt wurde, und sprang wie von ungefähr in ihr Fahrzeug hinein. Die Fischer kappten ihn, brachten ihn in die Stadt und machten ihn zu Geld.

So ist es oft: Was die Kunst nicht einbringt, das schenkt das Glück.


Übersetzung in Ruhrdeutsch (HDR)

„Samma Hebbert“, sarich, „wat hab ich anne Bude neulich gehört? Du hass soon dicken Kawenzmann außn Teich gefischt?“
„Jau“, sacht unsa Hebbert, „abba frach nich wie?“
„Zähl mal“, sarich, „soll mich auf ein Pilskes nich ankommen.“
„Pass up, dat wa so. Ich hock schon den halben Tag in Boot un tu vomich hindösen, weil aba auch kein Fischsack anbeißen tut. Un da sarich mich, Hebbert, sarich mich, gez is Schluss. Gez packse zusammn un ab nach Hause. Pilscken aussn Kühlschrank und ab in Gaaten mit die Radio, Fußball hörn. Un ich hab die Angel schon zusammengepackt un alles vastaut, da denk ich, watt nimmse die Würma alle wieder mit, is doch Kappes und kipp se so am Bootrant ins Wassa. Glaubsses nich, was da plözlich los waa. Ein Gewussel un Gequirle un alle Fische von Teich waan plözlich da un gab Zoff um die Würmas. Nehm ich seelenruich main Kescha und ziehn einma durch und fast hättichn Kaapfen nich ins Boot gekricht.“
„So kanz gehn“ sarich, „watte Kunst nich bringt, dat bringt der Dusel.“

Freitag, 4. März 2011

Siebenschläfer

Ihr Siebenschläfer in den Höhlen,
reckt euch, streckt euch, aufgewacht!
Der Frühling leuchtet in den Himmel
nach dieser ersten warmen Nacht!

Ja, schüttelt nur die dicken Zotteln
und blinzelt in das blaue Licht,
Herr Gott, wer wird so langsam trotteln,
ich lauf voraus, ich warte nicht.

Die Amsel übt schon ihre Lieder,
ich sing sie mit, ich kann sie auch,
und denkt euch nur, der blaue Flieder
hat Knospen, und der Haselstrauch.

Der Teckel bellt vor lauter Wonne
und wühlt die frische Erde um,
na?! seid ihr noch nicht in der Sonne,
ihr Siebenschläfer, faul und dumm?!

Paula Dehmel

Dienstag, 1. März 2011

In Europäischen Landen


In unsern Europäischen Landen findet man auch offtermahlen Zähne und Hörner in der Erde, welches wir gegraben Einhorn, oder Unicornu Fossile nennen; so entweder wie Beine von Menschen und Thieren, oder wie Zähn und Hörner aussiehet: solches ist auswendig entweder gelblecht, grau oder braun-, von unterschiedlicher Grösse, mürb, leicht, löchericht, eines erdichten Geschmacks, und vest an der Zung klebend; inwendig zuweilen hohl, zuweilen noch andere weiche fette Erde in sich haltend: Dessen findet man zu unterschiedenen mahlen in Schlesien, in Hessen, in der Pfaltz, auch in dem Wüirtemberger-Land. Es ist aber allhier die Frage, ob solches von rechten Thieren, als Einhorn / Elephanten / und dergleichen herrühre? oder ob es so aus der Erden wachse: worüber unter den Natur-Kündigern noch heutiges Tages kein vereinigter Schluß gemachet. Hiervon ist in des Tentzeli monatlichen Unterredungen / Act. Erud. Lips. Anno 1682. pag. 150. und des Kircheri Mundo Subterr. viel zu finden, und sind noch vor wenig Jahren im Würtembergischen verschiedene, sowohl schrifftliche als mündliche Conferenzen von einigen Curiosen gehalten worden. Wiele halten es vor solcher Thiere oder Riesen Gebeine, welche etwa zur Zeit der Sündfluth anderswo hingeflößt, und in der Eden also zu Stein worden, zumahlen alle Theil davon zu sehen sind; Bootius und Wormius in Mus. pag. 54. halten es vor ein Margain oder daraus erharteten Stein, welche durch Spielen der Natur solche Gestalten bekommen, nicht anders, wie die Häring und andere Fische auf dem Islebischen Schiefferstein /abgemahlet worden: welcher Meinung auch Seel. D. Bauschius in einem eigenen Tractat / de Unicornu Fossili, beypflichtet.

Johann Jacob Bräuner
Physicalisch- und Historische-Erörterte Curiositäten
38. Von unterschiedenen Wunder-thieren
Frankfurth am Mayn 1737