Sonntag, 27. Februar 2011

Die Holzfäller und die Eiche


Die Holzfällers sinn beim malochen in Wald un warn grat ne Aiche am umhauen. Dazu ham se auch hölzane Kaile reingekloppt. Da sacht die Aiche doch: »Mannoman, die Axt ismirja aintlich egal, abba dass die Kaile, die aus mich gewachsen sint, auch zu meim Fall beitragen, dat wuamt mich doch.«

Äsop
Ins Ruhrdeutsche übersetzt von
HDR

Freitag, 25. Februar 2011

Wat is aintlich ne Fabel?

»Kannze aintlich erklärn tun«, fraacht unse Hilde letztens, »wasne Faabel is?«
»Ne Faabel?« sarich, »warum willze dat denn wissen?«
»Unsre Dschakelin soll als Hausaufgabe füa Deutsch aine Faabel schraibn, un da saß sie heute Mittach in Küche am Heulen, weil se nich wusste, was aine Faabel is.«
»Und du konz dat au nich erklären?«
»Nee.«
»Also, dat is doch ganz ainfach«, sarich. »Wennze zum Baispiel ain Politika saan willz, was er füan Döskopp is, oone dat er gleich zun Rechtsvadreha rennt, oda daim Chef auffe Aabeit, watta füan Leuteschinda is, oone dat er dich glaich rausschmeißen tut, dann azählste dem Politika die Storie von Raaben, der dat Flaisch fallen lässt, weil der Fuchs ihm sagt, wie schön er schallern kann, oda dem Chef sachste die Geschichte von Wolf un Schaaf, wo dat Schaaf den Wolf helfen soll, waila valetzt ist un das Schaaf dann sacht, hassesie noch alle?«
»Ach so«, sacht unse Hilde, »sozusarn durchs Blümken.«
»Genau«, sarich, »oder wie mitte Latte von Zaun«.
»Dann wär das au ne Faabel, wenn ich dir erzählen tu, dat die Henne zum Hahn sacht, er soll nich so viel auffe Stange krähen un mit die Kumpels kloppen, sonnern saine Kraft für die Bodenaabeit bei de Hennen aufspaan?«
»Wie mainze dat gez?« frag ich unse Hilde.
Aba die hat nur gegrinst.

HDR

Der Bauer und die Schlange

Wie Bauer Jupp letztes Jaa vor Weihnachten nach draußen ging, Holz holen um dat Feua am brennen zu haltn, fant er hintan Schuppen eine Schlange. Mein lieber Schollie, die waa aba staif gefroren wien Stock. Hat er sie mit reingeschlürt weil er dachte: »Aames Ding, tue ich dich mal bissken an waamen Ofen.« Wiese aber wieda wach wa, wollte se als erstes den Jupp inne Finger zwicken. Haut der Jupp gleich mitm Holzschait aufn Kopp, aber mit kafuck un machtse platt. »Du oller Kriecher«, bölkt Jupp, »ers Eva mitn Appel vakohlen undann unsaeins den Dank mitti Zähne zeigen, wenn man dichn bisken aufwärmen tut.«

Äsop
Ins Ruhrdeutsche übersetzt von
HDR

Donnerstag, 24. Februar 2011

Die Wand und der Pflock


»Bisse bescheuert« bölkte die Wand, als ainer ain Pflock am reinhauen war. »Dat tut mich doch weh, ich tu dich doch au nix.«
»Sach das ma dem dahintn«, antwortete der Pflock, »der da auf mich draufballern tut.«
Äsop
Ins Ruhrdeutsche übersetzt von
HDR

Mittwoch, 23. Februar 2011

Das Huhn und die Schwalbe

Dat Huhn hat Klaubock bei de Schlange gemacht und Eier mitgebracht. Wiese die Zuhause so anglubscht, denkt se sich, Ei is Ei, sezsich drauf und ist die am ausbrüten. Wie die Schwalbe dat sieht, sachtse: »Hömma, hassese nich mehr alle? Wenn die Kükens der Schlange ersma ausm Ei sind, dann sorgen die als erstes dafüa, dat du keine Eia mehr legen tust.«

Äsop
Ins Ruhrdeutsche übersetzt von
HDR

Dienstag, 22. Februar 2011

Die zwei Hähne


Von die zwei Hähne, die um die Hühners kabbelten, scheuerte der aine den anneren kaphaftig eine, dasser total vonne Socken war un sich von Acker machte. Der aine flooch auf eine Mauer und krähte, das sich die Hühners anne Stirn tippten. Kam auch gleich der Adler vorbei und naam ihn ersma mit. Gez kam der annere zurüch, gesellt sich zu die Hühners un war wieder Hahn in Korb.

Äsop
Ins Ruhrdeutsche übersetzt von
HDR

Der Hund und der Ochse

Ein Köter,  aufm Heu, is am knurren und bellen, damit sich der Ochse nich rantraut un von den Heu fressen kann. »Bisse ja nua neidisch«, sacht der Ochse. »Wat meinze, warum du so rumgaifern musst? Weile selbs nix von dat Heu nabbeln kanns.«

Äsop
übersetzt ins Ruhrgebiet-Deutsch:
HDR

Sonntag, 20. Februar 2011

Der Dachs und das Eichhorn

Foto: Jeremias Radke

Dachs:
Wohin so eilig, kleines Thier?
Komm doch einmahl herein!

Eichhorn:
Kann ich dem Herrn zu Diensten seyn?
Sprich! was beliebet dir?

Dachs:
Ich seh dir oft aus meiner Wohnung zu,
Und wundre mich, wie unermüdet du
Von einem Zweig zum andern hüpfest,
Und durch die Nußgesträuche schlüpfest,
Und wie du keine Ruhe und Rast
Vom Morgen bis zum Abend hast;
Wie kannst du das in aller Welt ertragen?
Und noch so munter seyn, und so geschwind,
Als wenig and're Thiere sind?
Und ich muß mich mit meiner Trägheit plagen.

Eichhorn:
Mein lieber Dachs! das ist nicht schwer zu sagen
wenn ihr stets so in euern Löchern lauert,
Als wäret ihr lebendig eingemauert,
Und nur von euerm Fette zehrt,
Da ist es wohl noch fragenswerth,
Warum so gar das Gehen euch beschwert?
Ey, bey der übertriebnen Ruh
Nimmt eure Trägheit täglich zu;
Wer aber Fleiß und Arbeit liebt,
Wird immer mehr darin geübt.


Vaterländische Unterhaltungen
Ein belehrendes und unterhaltendes Lesebuch
zur Bildung des Verstandes, Veredlung des Herzens,
Beförderung der Vaterlandsliebe und gemeinnütziger Kenntnisse
für die Jugend Österreichs
von Leopold Chimani
Dritter Teil
Wien 1815, Im Verlage bey Anton Doll

Mittwoch, 16. Februar 2011

Die zwei Schakale



Bildquelle: Wikipedia

Zwei befreundete Schakale saßen auf einem Berg und ruhten sich aus. Um ihre Freundschaft zu bestätigen, versprachen sie sich, das jeder im Namen des Anderen wohltätige Dinge vollbringen möge. Sie aßen und tranken zusammen und lebten ein gutes Leben. Eines Tages suchten sie Kühlung vor der heißen Sonne im Schatten unter einem Baum. Da kam ein Löwe auf sie zu gejagt. Die Schakale ergriffen aber nicht die Flucht, sondern warteten ruhig ab. Das überraschte den Löwen, der sich deshalb nicht sofort auf sie stürzte und zerriss, sondern fragte: »Warum lauft ihr nicht vor mir davon, wenn ihr seht, dass ich euch verschlingen will?«
»Was hätte es genutzt?«, erwiderte der eine Schakal.
»Du hättest uns sowieso eingeholt«, antwortete der andere. »Besser du frisst uns jetzt, wo noch alle Kraft in uns ist, als wenn wir müde und abgekämpft nach der Jagd sterben müssten.«
Der Löwe, als er dies vernommen hatte, überlegte nicht lange sondern sagte: »Ein bedeutender Herr zürnt nicht über die Wahrheit«, ließ die Schakale in Ruhe, wandte sich um und machte sich auf die Suche nach anderer Beute.


Altägyptische Fabel
nacherzählt von
Horst-Dieter Radke

Sonntag, 13. Februar 2011

Die Fabel soll ergötzen und zugleich nützen …

Die Fabel ist deswegen da, daß sie ergötzen, und zugleich nützen soll. Aus diesem doppelten Endzwecke wollen wir alles, was wir gesagt haben, herleiten. Da die Erzählung nichts in sich enthält, als was alle Menschen wissen und sehen, so wird sie schwerlich ergötzen. Es muß daher in der Fabel etwas Seltnes, Neues und Wunderbares seyn: derowegen will ich etwas von dem Wunderbaren in der Fabel beybringen. Da aber das Wunderbare ohne Wahrscheinlichkeit keinen Reiz bey dem Zuhörer erweckt; so muß ich von der Wahrscheinlichkeit der Fabel handeln; da ferner die Art und Weise wie eine Sache betrieben wird, zu deren Anmuth viel beytragen kann; so muß ich auch etwas von dem Schmucke der Fabel, den sie durch den Vortrag erhält, sagen. Da endlich die Fabel nützlich seyn soll, da sie nämlich entweder die Vortrefflichkeit der Tugend, oder die Schädlichkeit der Laster in einem ihnen angemessenen Bilde vorstellen soll, so müssen einige Anmerkungen über die Uebereinstimmung der Fabel, mit der aus derselben gezogenen Lehre, d.i. des Bildes mit dem Modelle gemacht werden, voerhero aber will ich etwas von dem, was zu den Fabeln Gelegenheit gegeben hat sagen …

Christian Fürchtegott Gellert
aus: Von denen Fabeln und deren Verfassern

Freitag, 11. Februar 2011

fabula docet

lateinisch: »die Fabel lehrt«, frei übersetzt: Die Moral von der Geschichte ist … oder: Diese Lehre soll man aus der Geschichte ziehen.

fabula docet et delectat: Die Fabel will belehren und unterhalten.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Der heuchlerische Kater




Urheber: Dieter Schuh - Quelle: Wikipedia

Vor langer Zeit lebte ein Anführer einer Mäusekolonie, die auf fünfhundert Mäuse angewachsen war. In der Nähe lebte der Kater Angija, alt geworden und zu schwach, um Mäuse zu fangen. In seiner Jugend hatte er danach gestrebt, alle Mäuse in seiner Umgebung zu töten. Nun sann er auf eine List und begann deshalb, die Mäuse heimlich zu beobachten.

Nicht entfernt vom Mäuseloch stellte sich der Kater auf und tat so, als würde er Bußhandlungen verrichten. Die Mäuse, die ihn sahen und neugierig waren, riefen ihm aus sicherer Entfernung zu: »Was tut ihr da, Onkel Angija?«
Der Kater antwortete: »Ich habe in meiner Jugend viele böse Taten begangen. Nun tute ich Buße.«

Die Mäuse nahmen an, dass er sein sündiges Leben aufgegeben haben. Mit der Zeit wuchs in ihnen das Vertrauen und die Vorsicht nahm ab. Der Kater jedoch nahm immer am Abend die letzte Maus, die ins Loch verschwinden wollte und verschlang sie. Der Anführer der Mäusekolonie bemerkte jedoch mit der Zeit, dass seine Mäusegruppe immer kleiner wurde. Er dachte sich, dass es dafür einen Grund geben müsse und außerdem war ihm der Kater Angija noch immer nicht geheuer. Deshalb beobachtete er ihn und bemerkte als erstes, dass der Kater dick und fett geworden war. »Bestimmt ist er es, der für das Mäuseverschwinden verantwortlich ist«, dachte der Mäuseanführer. Deshalb beobachtete er ihn heimlich und sah endlich, wie der Kater die letzte Maus am Abend fing und verschlang.
»Oh du heuchlerischer Kater«, rief der Mäuseanführer aus seinem Versteck. »Du tust so fromm, bist aber einer, der die Buße nur aus Eigennutz pflegt.«

Alttibetische Fabel
Nacherzählt von Horst-Dieter Radke

Sonntag, 6. Februar 2011

Eine Hindufabel von der Erschaffung des Weibes


Yann - Bildquelle: Wikipedia

Im Anfang erschuf der Gott Twaschtri die Welt. Als er aber das Weib erschaffen wollte, sah er, daß er allen Stoff bereits für den Mann verwandt hatte, und daß keine Bestandteile mehr für das Weib vorhanden waren. Twaschtri sann lange nach, und als er nachgedacht hatte, tat er folgendes. Er nahm die Rundung des Mondes, die Wellenlinie der Schlange, des Grases Zittern, des Schilfes Schlankheit, der Blume Samtweiche, des Blattes Feinheit, des Rehes Blick, des Sonnenstrahls spielende Munterkeit, die Tränen der Wolken, die Unbeständigkeit des Windes, die Furchtsamkeit des Hasen, die Eitelkeit des Pfaus, die Weichheit der Flaumfeder, die Härte des Diamanten, die Süßigkeit des Honigs, die Grausamkeit des Tigers, die Wärme des Feuers, die Kälte des Eises, die Geschwätzigkeit der Elster und das Girren der Turteltauben.

Aus all diesem schuf er das Weib. Als es fertig aus seinen Händen hervorgegangen war, schenkte er es dem Manne.

Acht Tage später kam der Mann zu Twaschtri und sagte: „Herr, das Geschöpf, das du mir geschenkt hast, vergiftet mein Leben. Es spricht unaufhörlich und bringt mich um meine Zeit. Es jammert um ein Nichts. Es ist immer krank. Ich bin gekommen, um dich zu bitten, deine Gabe wiederzunehmen. Ich kann nicht mit dem Weibe leben.“

Und Twaschtri nahm das Weib zurück.

Nach abermals acht Tagen kam der Mann wieder zu seinem Schöpfer und sagte: „Herr, mein Leben ist einsam, seit ich dir das Weib zurückgegeben habe. Ich kann nicht umhin, immer daran zu denken. Stets sehe ich sein Lächeln und gedenke daran, wie es mich durch seinen Tanz beglückte.“

Und der Schöpfer gab die Frau dem Manne wieder.

Es waren aber nur drei Tage verflossen, da fand sich der Mann wieder ein. „Herr, ich habe es nun wieder versucht, aber ich sehe ein, daß die Frau, die du für mich geschaffen hast, mir nur zum Unglück ist. Die Ärgernisse, die diese Frau mir bereitet, überwiegen weit die Freuden, die sie mir schenkt. Herr, nimm sie zurück!“

Jetzt aber war die Geduld des Gottes zu Ende. „Geh,“ rief er, „und richte dich mit dem Weibe ein, so gut du eben kannst; ich nehme es nicht nochmals zurück!“

Der Mann aber sprach: „O, ich Unglückseliger! Ich kann nicht mit dem Weibe leben, aber ich kann auch nicht mehr ohne dasselbe sein! Was wird daraus werden?“

B. E.
Bibliothek der Unterhaltung und des WissensJahrgang 1908, 4. Band, S. 211 f.

Samstag, 5. Februar 2011

Treffende Antwort


Shizhao (Bildquelle: Wikipedia)


Der chinesische Gesandte in Washington, Exzellenz Wu Ting Fang, nahm kürzlich an einem Festessen teil. Seine Tischdame erkundigte sich danach, weshalb die Chinesen den Drachen überall abbilden.

„Sie wissen doch, daß es ein derartiges Geschöpf nicht gibt?“ fragte sie. „Oder haben Sie je einen Drachen gesehen?“
„Meine Gnädige,“ antwortete der Diplomat, „warum bildet man denn in Ihrem Lande die Göttin der Freiheit auf Ihren Münzen ab? Sie wissen doch, daß es ein solches Geschöpf nicht gibt? Oder haben Sie jemals die Freiheit gesehen?“


M.P.
Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens
Jahrgang 1909, 3. Band, S. 240

Donnerstag, 3. Februar 2011

Die zweiköpfige Schlange






Ein Junge fing eine zweiköpfige Schlange, steckte sie in einen Kasten und fütterte sie mehrere Jahre lang. In dieser Zeit wurde sie groß und stark. Der Junge, inzwischen zu einem kräftigen Mann herangewachsen, konnte sie nun nicht mehr, wie zu Beginn, mit Vögeln füttern, sondern musste ihr Hirsche, Büffel oder sogar Bären fangen.

Als er eines Tages wieder auf Jagd war, kroch die Schlange aus ihrem Kasten hervor, drückte alle Bäume wie Gras nieder und drohte, die Menschen zu verschlingen. Alle, auch die Krieger, die gegen die Schlange nichts ausrichten konnten, mussten in eine Höhle flüchten, die fortan von der züngelnden Schlange bewacht wurde. 

Eines Nachts hatte einer der Krieger einen Traum, in dem er erfuhr, dass ein Pfeil, mit dem Haar seiner Schwester umwunden, die Haut der Schlange durchdringen konnte. Gleich der ersten Pfeil drang dem Untier ins Herz und bewahrte die Menschheit vor dem sicheren Untergang.

Indianische Fabel
Nacherzählt von:
Horst-Dieter Radke

Mittwoch, 2. Februar 2011

Gellert und Laudon

Bildquelle: Wikipedia

Gellert und Laudon lernten einander zum ersten Male in Karlsbad kennen, als beide schon hochbetagt waren. Gellerts ohnehin ernste Züge waren im Alter noch ernster geworden, und Laudon hatte bekanntlich keine besonders intelligente Physiognomie, was ja auch die Veranlassung dafür gewesen sein soll, daß Friedrich der Große seinerzeit es abgelehnt hatte, diesen hervorragenden Soldaten in seine Dienste zu nehmen. Später hat er es oft genug bereut.
Nachdem Laudon den Dichter eine Weile betrachtet, konnte er sich nicht enthalten zu sagen: „Sagen Sie mir doch, Herr Professor, wie Sie so viel munteres haben schreiben können. Ich kann es nicht begreifen, wenn ich Sie so ansehe.“
Gellert erwiderte lächelnd: „Sagen Sie mir erst, Herr General, wie ist es möglich, daß Sie die Schlacht bei Kolin gewinnen und Schweidnitz einnehmen konnten. Ich kann es nicht begreifen, wenn ich Sie so ansehe.“

F. C.

Bibliothek der Unterhaltung und des WissensJahrgang 1909, Band 8, S. 236