Mittwoch, 15. September 2010

Die Fabel von den Fröschen



Die Frösche hatten einen König!
Wir sind ein großes Volk! Er hat für uns zu wenig
Verstandesfähigkeit, und seine schöne Frau
Ist keine Königin, wie wir sie haben wollen
Seht! Sie beherscht den Mann, und ist ihm viel zu schlau,
Sie taugen beyde nichts, sie sollen
Herunter von dem Thron, sie sitzen zu bequem!
Und kurz: Uns Fröschen ist kein König angenehm,
Wir können wohl uns selbst regieren
Wir brauchen keine Majestät!
Wir alle sind uns selbst die Majestät! Wir haben
Des Frosches edles Recht begraben,
Laßts, sprach ein weiser Frosch, laßts wieder auferstehn!
Ja! quakten Tausende, Ja! ja! das muß geschehn!
Gequakt, gethan! die Quaker fiengen
Den König, sperrten ihn in einen Kefig ein!
Er soll nicht mehr der König seyn!
Koaxte man, ermordete den besten
Der Könige, beging die größten
Schandthaten! Tausend Könige
Regierten, tausend! Ach! und Weh!
Erscholl umher im Königreiche!
Man sah zehntausend dünne Bäuche,
Heißhunger übte die Gewalt
Die Gott der Herr ihm gab! das Königreich verarmte
Vier Jahre noch nicht alt
War's aufgerieben! Gott erbarmte
Sich gnädigst seiner, gab den Einen König bald
Dem irrgeführten Volke wieder!
Man sang: Es wird schon gehn
Wie wütend nun nicht mehr, sang neue Freudenlieder,
Dem Einen Könige, man schrieb
(Die Frösche schreiben auch, wie wir, Gedanken nieder,)
Was nun nicht mehr verborgen blieb!

Nun ist euch wohl, ihr Herrn! ihr Frösche! nun ins Freie!
Von tausend Königen nicht mehr ins Netz gekörnt!
Koaxt so viel ihr wollt, nun wieder, ach! und lernt;
Daß Einer besser ist, als tausend, und als Zweye!

Aus »Fabeln fürs Jahr 1795«, Erstdruck 1795.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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