Dienstag, 18. Mai 2010

Der Zaubermantel


Bildquelle: Wikipedia

»Was frommt nun dumpfes Brüten bei Dingen, die geschah'n?
Das ist ein Basilisk-Ei, gelegt von einem Hahn.
Der Hahn, der heisst Gewissen, ist Wächteramts bewusst,
Der Basilisk ist Trübsinn, vergiftend jede Lust.«

»Auf, auf, zu frischem Leben! Fort in die weite Welt,
Wo nicht solch bittrer Unmuth die Freuden Dir vergüllt!
Zu frohen Hochzeitfesten, zu Reigen und Turnier!
Von allen schlimmen Gästen ist Gram der schlimmste mir.«

So spricht zu Faust Mephisto, zu dem gebeugten Mann,
Der seines Namens Makel noch nicht vergessen kann.
Der seines Stolzes Glanzschild entehrt sieht und befleckt,
Und sich so weit vom Ruhmziel, das er sich ausgesteckt.

»Wohlan denn, fort! Und trage mich nun auf sichrer Bahn!
Ein irrender Odysseus im Lebensozean,
Bin bald ich der Charybdis, bald Soylla's Heuleu nah,
Doch nimmer werd' ich finden der Sehnsucht Ithaka!«

»Und nun wohin Mephisto? Den Ort bestimme gleich!« –
Da kommen drei Barone, jung, freudesüchtig, reich.
»Wir tragen grosse Bitten Euch vor, erhabner Mann,
Der, was unmöglich scheine, leicht möglich machen kann!«

Und Faustus: »Redet Freunde, sagt an, was Ihr begehrt!
Es hat Euch meine Liebe schon Euern Wunsch gewährt.
Ihr scheint mir reiselustig, und reisefertig gleich,
Verlangt Ihr eine Lustfahrt, so theil' ich sie mit Euch!«

›Ihr wisst, der Baierherzog vermählt der Tochter Hand;
Ganz München glänzt im Festprunk, zu weit nur liegt das Land.
Wir möchten gern die Feier und gern das Brautpaar sehn,
Doch nur, wenn Ihr uns hülfreich, o Faustus, kann's geschehn.‹

Eine glatte Schlange giebt es, die leicht in Herzen schleicht,
Und einen süssen Honig, der Macht als Kost gereicht.
Und eine Blume, giftig, voll Balsamdufts dabei:
Sieh, Schlange, Honig, Blume, das ist die Schmeichelei.

»Wir schaun das Fürstenbrautpaar, eh' wieder Abend naht,
Nur sorget, dass nicht lautbar und stadtkund wird die That.
Wir wollen schneller reiten, wie Perseus einstens ritt,
Wir nehmen nur das Hütlein des Fortunatus mit.«

»Ich, Faustus-Fortunatus, führ' Euch auf luft'ger Bahn;
Es wird im Meer der Wolken mein Mantel unser Kahn.
Wir segeln hoch und schweigend, vom Aetherduft umhaucht,
Ins Bad der Morgenröthe das kühne Haupt getaucht!«

So redet Faustus heiter, er winkt dem Diener zu;
Aus breitet der den Mantel – sie schwinden hin im Nu.
Hoch über Berg' und Wälder, gleich einer Wolke Zug,
Die Sturmwind fortpeitscht, richten sie südwärts ihren Flug.

Und eh' der Alpen Kronen erglühn im Morgenschein,
Die fern heräbergrüssen ins ebne Land herein,
Stellt schon auf festen Boden der Zaubrer seine Last,
Die, schwindelnd von der Luftfahrt, noch kaum das Wunder fasst.

Und wo mit hellen Zinnen aufragt die Residenz,
Grüsst man die reichen Fremden mit tiefer Reverenz.
Sie schreiten, wie geladen, durch das Gewühl voll Pracht,
Sie scheinen selber Fürsten, so reich ist ihre Tracht.

Sie sehn den Glanz der Feste, sie sehn das hohe Paar,
Sie sehn der edlen Gäste glanzvoll geschmückte Schaar.
Die reichen Prachtgeschenke, den hellen Fackeltanz;
Den Himmel hier voll Schönheit, und dort ein Meer voll Glanz.

Und als auf braunen Schwingen die Nacht sich niedersenkt,
Der Wolkenschiffer wieder die Mantelfähre lenkt.
Die Freunde, schlummertrunken und trunken auch von Lust,
Sind wieder heim gekommen, der Luftfahrt kaum bewusst.

Und als sie dann erwachen, dünkt sie's ein wirrer Traum.
»Trug nicht ein leichter Nachen uns durch der Lüfte Raum?
Wo blieb nun unser Schiffer, der zaubermächtge Faust?«
Der war auf Sturmesflügeln nach anderm Ort gebraust.

»So recht, mein Faustus!« redet der Geist den Zaubrer an;
»Fort mit dem dumpfen Brüten bei Dingen, die geschahn.
Das Leben währt nicht lange; geniesse, weil Du lebst!
Die Lust ersteht nicht wieder, die Du im Gram begräbst!« –
Ludwig Bechstein
aus: Faustus. Ein Gedicht
Leipzig 1833

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