Sonntag, 30. Mai 2010

Der Maulwurf und der Hamster


In die gefüllte Speisekammer
Des Hamsters grub sich einst ein Maulwurf ein.
Hier, sprach er klagend, hier wird meines Hungers Jammer
Einmal am Ende sein!
Acht Tage schon hab' ich gegraben,
Und nichts gefunden, mich zu laben;
Gottlob! –
Indem er's sagt, entsteht
Ein großer Lärm, der Hamster kommt gesprungen;
»Dieb! Räuber! Mörder!« – Gnade fleht
Der arme Hungrige! Gekämpfet und gerungen
Auf Leben und auf Tod, wie in Amerika,
Wird in der allzuengen Kammer. –
Der arme Maulwurf stirbt und endigt seinen Jammer.

So wären, wenn's geschah,
Die Tiere ja
So grausam wie die Menschen? Nein!
Es kann wohl nicht geschehen sein.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Samstag, 29. Mai 2010

Eine Parabel

 

Es war eine Zeit, wo die Menschen sich mit dem, was die Natur brachte, behelfen, und von Eicheln und andrer harter und schlechter Kost leben mußten. Da kam ein Mann, mit Namen Osiris, von ferne her und sprach zu ihnen: Es gibt eine bessere Kost für den Menschen, und eine Kunst sie immer reichlich zu schaffen; und ich komme, euch das Geheimnis zu lehren. Und er lehrete sie das Geheimnis, und richtete einen Acker vor ihren Augen zu, und sagte: »Seht, das müßt ihr tun! Und das übrige tun die Einflüsse des Himmels!« Die Saat ging auf und wuchs und brachte Frucht, und die Menschen waren des sehr verwundert und erfreuet, und baueten den Acker fleißig und mit großem Nutzen. In der Folge fanden einige von ihnen den Bau zu simpel, und sie mochten die Beschwerlichkeiten der freien Luft und Jahrzeiten nicht ertragen. »Kommt«, sprachen sie, »laßt uns den Acker regelrecht und nach der Kunst mit Wand und Mauern einfassen und ein Gewölbe darüber machen, und denn da drunter mit Anstand und mit aller Bequemlichkeit den Ackerbau treiben; die Einflüsse des Himmels werden so nötig nicht sein, und überdem sieht sie kein Mensch.« »Aber«, sagten andere, »Osiris ließ den Himmel offen, und sagte: ›Das müßt ihr tun! Und das übrige tun die Einflüsse des Himmels!‹« »Das tat er nur«, antworteten sie, »den Ackerbau in Gang zu bringen; auch kann man noch den Himmel an dem Gewölbe malen.« Sie faßten darauf ihren Acker regelrecht und nach der Kunst mit Wand und Mauern ein, machten ein Gewölbe darüber und malten den Himmel daran. – Und die Saat wollte nicht wachsen! Und sie bauten, und pflügten, und düngten, und ackerten hin und her – Und die Saat wollte nicht wachsen! Und sie ackerten hin und her.

Und viele von denen, die umherstanden und ihnen zusahen, spotteten über sie! Und am Ende auch über den Osiris und sein Geheimnis.

Matthias Claudius

Freitag, 28. Mai 2010

Der Kornak und sein Elephant


Ein Kornak zu Hindostan hatte das Unglück, von seinem Elefanten, den er öfters zu necken pflegte, gewaltig gerüttelt und zur Erde geschleudert zu werden. Kaum hatte er sich vom Schrecken erhohlt und seine Kräfte wieder gesammelt, als er, den Vorfall zu berichten, zu seinem Herrn lief, und um nichts geringeres bath, als um Abschaffung eines so furchtbaren Thieres.

Unvorsichtiger! erwiederte der Nabob: Wer viel nützen kann, muß auch viel schaden können, und Heil ihm! wenn er nur dann will, wenn er gereitzt wird.

Weiser, edler Indier! Heil auch Dir und deiner Politik!

Johann Friedrich Ferdinand Schlez

Donnerstag, 27. Mai 2010

Der kranke Hund


Ein Hühnerhund, der sich ein Bein zerbrochen,
Lag hungrig auf der harten Streu
Sein Freund, ein alter Pudel, kam herbei
Und both ihm einen Hammelsknochen.
»Nimm,« rief ein Kater, »ihn nicht an,
Sonst wird dein Helfer dein Tyrann.«

Der Kranke schwieg und aß, und reichte, still erfreut,
Dem Freund die lahme Pfote dar.
Wer vor der Dankbarkeit sich scheut,
Ist schon im Herzen undankbar.

Vaterländische Unterhaltungen
Ein belehrendes und unterhaltendes Lesebuch zur
Bildung des Verstandes, Veredlung des Herzens, 
Beförderung der Vaterlandsliebe und gemeinnütziger Kenntnisse
für die Jugend Österreichs
von Leopold Chimani
Dritter Teil
Wien 1815, Im Verlage bey Anton Doll

Mittwoch, 26. Mai 2010

Der schöne Kopf, an ***


Ja, ja, es reizt auch mich das blühende Gesicht,
Auch ich empfinde selbst die Kraft von diesen Blicken.
Der Mund, das Auge kann entzücken,
Und wer verehrt den vollen Busen nicht,
Der alles das an Liebreiz übersteiget,
Was Paris je gesehn, und Venus je gezeiget?
Doch Phryne schwatzt, und scherzt. Mein erster Trieb wird kalt.
Ihr lächerlicher Witz, ihr unerträglich Scherzen
Verliert die schon gefangnen Herzen:
Ich merke kaum die täuschende Gestalt.
Es wird ihr Sieg befördert, und gestöret,
So oft man sie erblickt, so oft man sie gehöret.
Mein Freund, dir ist gewiß Aesopus noch bekannt,
Der klügste Phrygier, der uns vom Fuchs erzählet,
Daß er ein Bild, dem nichts gefehlet,
Den schönsten Kopf bei einem Künstler fand.
Er rief: Wie schön ist Auge, Mund und Stirne!
Bewundernswerther Kopf, ach hättest du Gehirne!

Friedrich von Hagedorn

Dienstag, 25. Mai 2010

Die Coeursleben

Nicht schlaue Füchse, wilde Stiere,
Nicht Menschen allzugleiche Thiere,
Nicht Mährchen, wie Aesop erfand,
Sind meines Dichtens Gegenstand;
Die Karten will ich jetzt beleben,
Und ihnen Witz und Denken geben.
Ihr Spötter, eh' ihr den verlacht,
Der todte Karten redend macht,
So lernt, wie das, was ich erfinde,
Sich auf Natur und Wahrheit gründe.

Was macht, daß Chloris sinnt und schließt,
Und daß Silvander artig ist?
Die Karten müssen sie beleben,
Und ihnen Witz und Denken geben:
Wenn sie nun Andern das verleihn,
So kann es wohl ihr eigen seyn.

In jenen streitbaren Papieren,
Damit die Schönen Kriege führen,
Und Stutzer selbst zu Felde ziehn,
Weicht Alles vor dem schwarzen Sieger;
Stets würgt er zween berühmte Krieger,
Gemeines Volk läßt er entfliehn.

An Farbe gleicher, als an Stärke,
Doch stark zu manchem großen Werke,
Ist ihm der zweyte Kämpfer nah,
Auf dessen Schild, nie ohne Zittern,
Der kühnste von den bunten Rittern
Das schwarze Kreuze blicken sah.

Den dritten Platz hat er im Heere.
Der zweyten Stelle Macht und Ehre
Bleibt nicht stets Einem ganz allein;
Weil zweymal zween gemeine Knechte
Auf diesen Rang mit gleichem Rechte
Sich einer um den andern freun.

Einst ward ein Blatt dazu erhoben,
Das uns als seiner Kühnheit Proben
Sechs Herzen und noch eines zeigt,
Und bey der andern Blätter Neide,
Berauscht von stolzerfüllter Freude,
Nun seinen König übersteigt.

Die Basta selber muß mich ehren!
So ließ es sich voll Hochmuth hören,
Ein einzig Blatt ist über mir.
Die Basta, durch den Stolz verletzet,
Sprach: wenn dein Rang dich so ergetzet,
So glaube doch, ich gönn' ihn dir.

Beständig kann mein Beystand nützen;
Stets wünschet man mich zu besitzen:
Dich macht nur blinder Zufall werth.
So eile, recht dein Glück zu fühlen,
Eh' durch dich in den nächsten Spielen
Verworfner Blätter Zahl sich mehrt.
Der Leser mag es selbst ergründen,
Worauf der Fabel Inhalt zielt.

Er braucht vielleicht, es auszufinden,
Nicht halb den Witz, damit er L'hombre spielt.

Abraham Gotthelf Kästner

Montag, 24. Mai 2010

Thaler und Heller


Zum Heller sprach der Thaler einst:
»Und ob du auch noch blanker scheinst,
Du bleibst an Wert doch spottgering,
Du winzig kleines Kupferding.«


Der Heller rief: »Wer klug mich spart,
Der bringt’s gar bald zu deiner Art;
Doch wer mit dir nur rechnen kann,
der rechnet sich zum Bettelmann.«

Julius Sturm
Neues Fabelbuch
Leipzig 1881

Sonntag, 23. Mai 2010

Fuchs ging dem König Leu …

Fuchs ging dem König Leu
Zum ersten Mal vorbei
Und zitterte zur Erden.
Zum zweiten Mal,
Der Reverenz wollt' keine werden;
Er that nicht, was er ihm befahl.
Nun noch einmal,
Und wollt' am Bart ihm spielen,
Mußt's aber fühlen!

Herr Witzling, wer ist klein? Wer alle Welt
So klein, als Er ist, hält.
Kunstrichter, Schwätzer, Komiker,
Ist auch ein größer Ding als Er?

Johann Gottfried Herder

Samstag, 22. Mai 2010

Der Vogel Greif


Der Vogel Greif (Gryphs, Gryphus), ein in der Fabellehre der Alten sehr bekanntes Wunderthier, dessen Gestalt sehr vielfache Zusätze, je nach den Phantasien der Dichter und Schriftsteller, erhalten hat. Gewöhnlich giebt man ihm die Gestalt eines Löwen, einen Adlerkopf mit Pferde-Ohren, übrigens aber Flügel und statt der Mähne einen Kamm von Fisch-Floßfedern. Nach der Fabel sollten sie das Gold aus der Erde graben und es gegen die Räuber bewachen. Die griechischen Tragiker bedienten sich der Greife als schwebenden Zuggespanns vor den Wagen der Götter. In der Heraldik kommt er öfters als Schildhalter vor. Sehr viel ist über die Entstehung der Idee von dieser Fabel gemuthmaßet worden: namentlich haben der Graf von Veltheim in seiner Abhandlung von den goldgrabenden Ameisen und Greifen der Alten und der berühmte Archäolog Böttiger in seinen Vasengemälden sehr viel Sinnreiches darüber gesagt, von denen Letzterer diese und ähnliche Ungeheuer blos als Erzeugnisse der indischen Tapetenwirkerei mit vieler Wahrscheinlichkeit erklärt, da die Indier sich von den ältesten Zeiten her an seltsamen Zusammensetzungen ihrer heiligen Thiere ergötzten; und als nun die Griechen am Hofe des persischen Königs solche Tapeten erblickten, so glaubten sie, die Thiere wären nach der Natur genommen, und hielten sie für wirkliche Geschöpfe des wunderreichen Indiens. Auf ähnliche Art entstanden auch die nachherigen Arabesken, Grotesken etc. mit denen jene also einerlei Ursprung hätten.
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7.
Amsterdam 1809, S. 408-409.

Freitag, 21. Mai 2010

... welches eine Affricanische Creatur

Quelle: Wikipedia

Das Einhorn / welches eine Affricanische Creatur / und in der Provinz Agaos in dem Königreich Dæmotes anzutreffen; wiewohl auch nicht unglaublich daß sich solches auch verlauffe, und an andern Orten gefunden werde. Davon gedenckt besageter Autor ferner: Dieses Thier ist so groß, als ein mittelmäßiges Pferd, schwartzbraun an Farb, und hat einen schwartzen Schweiff und Mahne, beeds dünn und kurtz, wiewohl anderer Orten, jedoch eben in dieser Provinz, solche länger und dicker gesehen werden; mit einem schön gewundenen Horn an der Stirn, 6. Palmen oder Spannen lang, und länger, wie es von den Mahlern gebildet wird, und ist weißlecht an der Farbe: Sie enthalten sich in dicken Wäldern und Gesträuß, zu Zeiten kommen sie in die Felder, und werden selten gesehen, sind furchtsam, zerstreuet, und verborgen in den Höltzern, die barbarischen und wildesten Völcker in der Welt, haben diese Thier um sich, und nehren sich von solchen, wie von andern Thieren.

Johann Jacob Bräuner
Physicalisch- und Historische-Erörterte Curiositäten
38. Von unterschiedenen Wunderthieren
Frankfurth am Mayn 1737

Dienstag, 18. Mai 2010

Der Zaubermantel


Bildquelle: Wikipedia

»Was frommt nun dumpfes Brüten bei Dingen, die geschah'n?
Das ist ein Basilisk-Ei, gelegt von einem Hahn.
Der Hahn, der heisst Gewissen, ist Wächteramts bewusst,
Der Basilisk ist Trübsinn, vergiftend jede Lust.«

»Auf, auf, zu frischem Leben! Fort in die weite Welt,
Wo nicht solch bittrer Unmuth die Freuden Dir vergüllt!
Zu frohen Hochzeitfesten, zu Reigen und Turnier!
Von allen schlimmen Gästen ist Gram der schlimmste mir.«

So spricht zu Faust Mephisto, zu dem gebeugten Mann,
Der seines Namens Makel noch nicht vergessen kann.
Der seines Stolzes Glanzschild entehrt sieht und befleckt,
Und sich so weit vom Ruhmziel, das er sich ausgesteckt.

»Wohlan denn, fort! Und trage mich nun auf sichrer Bahn!
Ein irrender Odysseus im Lebensozean,
Bin bald ich der Charybdis, bald Soylla's Heuleu nah,
Doch nimmer werd' ich finden der Sehnsucht Ithaka!«

»Und nun wohin Mephisto? Den Ort bestimme gleich!« –
Da kommen drei Barone, jung, freudesüchtig, reich.
»Wir tragen grosse Bitten Euch vor, erhabner Mann,
Der, was unmöglich scheine, leicht möglich machen kann!«

Und Faustus: »Redet Freunde, sagt an, was Ihr begehrt!
Es hat Euch meine Liebe schon Euern Wunsch gewährt.
Ihr scheint mir reiselustig, und reisefertig gleich,
Verlangt Ihr eine Lustfahrt, so theil' ich sie mit Euch!«

›Ihr wisst, der Baierherzog vermählt der Tochter Hand;
Ganz München glänzt im Festprunk, zu weit nur liegt das Land.
Wir möchten gern die Feier und gern das Brautpaar sehn,
Doch nur, wenn Ihr uns hülfreich, o Faustus, kann's geschehn.‹

Eine glatte Schlange giebt es, die leicht in Herzen schleicht,
Und einen süssen Honig, der Macht als Kost gereicht.
Und eine Blume, giftig, voll Balsamdufts dabei:
Sieh, Schlange, Honig, Blume, das ist die Schmeichelei.

»Wir schaun das Fürstenbrautpaar, eh' wieder Abend naht,
Nur sorget, dass nicht lautbar und stadtkund wird die That.
Wir wollen schneller reiten, wie Perseus einstens ritt,
Wir nehmen nur das Hütlein des Fortunatus mit.«

»Ich, Faustus-Fortunatus, führ' Euch auf luft'ger Bahn;
Es wird im Meer der Wolken mein Mantel unser Kahn.
Wir segeln hoch und schweigend, vom Aetherduft umhaucht,
Ins Bad der Morgenröthe das kühne Haupt getaucht!«

So redet Faustus heiter, er winkt dem Diener zu;
Aus breitet der den Mantel – sie schwinden hin im Nu.
Hoch über Berg' und Wälder, gleich einer Wolke Zug,
Die Sturmwind fortpeitscht, richten sie südwärts ihren Flug.

Und eh' der Alpen Kronen erglühn im Morgenschein,
Die fern heräbergrüssen ins ebne Land herein,
Stellt schon auf festen Boden der Zaubrer seine Last,
Die, schwindelnd von der Luftfahrt, noch kaum das Wunder fasst.

Und wo mit hellen Zinnen aufragt die Residenz,
Grüsst man die reichen Fremden mit tiefer Reverenz.
Sie schreiten, wie geladen, durch das Gewühl voll Pracht,
Sie scheinen selber Fürsten, so reich ist ihre Tracht.

Sie sehn den Glanz der Feste, sie sehn das hohe Paar,
Sie sehn der edlen Gäste glanzvoll geschmückte Schaar.
Die reichen Prachtgeschenke, den hellen Fackeltanz;
Den Himmel hier voll Schönheit, und dort ein Meer voll Glanz.

Und als auf braunen Schwingen die Nacht sich niedersenkt,
Der Wolkenschiffer wieder die Mantelfähre lenkt.
Die Freunde, schlummertrunken und trunken auch von Lust,
Sind wieder heim gekommen, der Luftfahrt kaum bewusst.

Und als sie dann erwachen, dünkt sie's ein wirrer Traum.
»Trug nicht ein leichter Nachen uns durch der Lüfte Raum?
Wo blieb nun unser Schiffer, der zaubermächtge Faust?«
Der war auf Sturmesflügeln nach anderm Ort gebraust.

»So recht, mein Faustus!« redet der Geist den Zaubrer an;
»Fort mit dem dumpfen Brüten bei Dingen, die geschahn.
Das Leben währt nicht lange; geniesse, weil Du lebst!
Die Lust ersteht nicht wieder, die Du im Gram begräbst!« –
Ludwig Bechstein
aus: Faustus. Ein Gedicht
Leipzig 1833

Mittwoch, 12. Mai 2010

Die abgelebte Katze. Die alte Maus. Die junge Maus


Die Katze
Du allerliebstes kleines Thier!
Komm doch ein wenig her zu mir.
ich bin dir gar zu gut. Komm, daß ich dich nur küsse.

Alte Maus
Ich rate dir's, Kind, gehe nicht.

Katze
So komm doch! Siehe, diese Nüsse
Sind alle dein, wenn ich dich einmahl küsse.

Junge Maus
O Mutter höre doch, wie sie so freundlich spricht.
ich gehe –

Alte Maus

Kind, gehe nicht!

Katze

Komm, kleines Närrchen, komm!

Junge Maus
Ach Mutter hilf – ach weh!
Sie würgt mich _ Ach, die Garstige!

Alte Maus
Nun ist's zu spät, da dich das Unglück schon betroffen:
Wer sich nicht Raten lässt, hat Hülfe nicht zu hoffen.

aus:
Vaterländische Unterhaltungen
Ein belehrendes und unterhaltendes Lesebuch
zur
Bildung des Verstandes, Veredlung des Herzens, Beförderung der Vaterlandsliebe und gemeinnütziger Kenntnisse
für die Jugend Österreichs
von Leopold Chimani
Dritter Teil
Wien 1815, Im Verlage bey Anton Doll

Sonntag, 9. Mai 2010

Der Schadenfroh


Ein Haus gerieth in Flammen; indem jedermann zum Feuer lief, begegnete ein Zimmermann und ein Wundarzt einander auf eine Brücke. Der Zimmermann sagte: Siehest du wie meine Saat blühet, ich hoffe eine reiche Erndte zu bekommen: Mit dem Wort entschlüpft ihm der Fuß, er fiel von der Brücke und brach sich eine Rippe entzwey. Der Wundarzt rief ihm nach: Zimmermann, mir ist meine Erndte schon reif geworden.

Lessingische, unäsopische Fabeln
Enthaltend die sinnreichen Einfälle und weisen Sprüche der Thiere
Nebst damit einschlagender Untersuchung der Abhandlung Herrn Lessings von der Kunst Fabeln zu verfertigen
Zweyte Auflage
Zürich, bey Orell, Geßner und Comp. 1767

Donnerstag, 6. Mai 2010

Fabel kann auch Geschichte seyn

... Fabel kann auch Geschichte seyn und eine Geschichte mit Urkunden und Denkmählern ausstaffirt ist oft nichts: es kömmt alles auf den Geist an, mit welchem es verstanden wird. Ein Lied, eine alte Sage, ein Fabelkarakter stellen mir das Volk, wo sie entstanden, of lebendiger und wahrer hin, als die genaueste und peinlichste Aufzählung wirklicher Menschen und Dinge. ...

Ernst Moritz Arndt
aus: Geist der Zeit
Zweite Auflage, 1807

Samstag, 1. Mai 2010

Der Rabe und das Einhorn

from Collin de Plancy's Dictionnaire Infernal, 1863
Quelle: Wikipedia



Ein Rabe saß auf einem Felsen. Ihn sah das Einhorn da sitzen, und sprach: jetzt soll ein Beweis meiner Stärke dich staunend machen; denn ich will dir zeigen, wie ich Berg’ umstoße.

Kaum gesagt, lief es gegen den Felsen mit aller Gewalt; Aber statt, daß er wankte, zerschellerte an ihm das Horn, und das stolze Thier fiel für Schmerzen nieder.

Armes Einhorn! rief der Rabe, den Beweis deiner Stärke bleibst du mir schuldig; aber den Beweis deiner Dummheit und die Wahrheit des Satzes: daß Hochmuth alle Dinge zerstöre, gabst du mir ungebeten.

Fabeln nach Daniel Holzmann
weiland Bürger und Meistersänger zu Augspurg
herausgegeben von A.G. Meißner
Carlsruhe, bey Christian Gottlieb Schmieder, 1783