Montag, 30. November 2009

Who claims the fable …

I no man call an ape or ass;
‘This his own conscience holds the glass.
Thus void of all offence I write.
Who claims the fable, knows his right.

John Gay

Sonntag, 29. November 2009

Der Rabe


Was ist das für ein Bettelmann?
Er hat ein kohlschwarz Röcklein an
Und läuft in dieser Winterzeit
Vor alle Türen weit und breit,
Ruft mit betrübtem Ton: »Rab! Rab!
Gebt mir doch auch einen Knochen ab.«

Da kam der liebe Frühling an,
Gar wohl gefiel’s dem Bettelmann:
Er breitet seine Flügel aus
Und flog dahin weit übers Haus;
Hoch aus der Luft so frisch und munter:
»Hab Dank! hab Dank!«
rief er hinunter.

Wilhelm Hey

Samstag, 28. November 2009

Da ward Esopus hart verklagt …

Er ward gesant von seinem herrn
Hinaus zu feld den acker ern.
Da arbeit er mit allem fleiß
Nach seines herrn befelh und gheiß.
Nun war daußen ein ackerman,
Der wolt zu seinem herren gan,
Sich freundlich gegen im erzeigen
Und bracht im etlich frische feigen.
Die nam der herre alzumal,
Dem Agathopodi befalh,
Welcher auch war des herren knecht,
Daß er dieselbigen heim brecht.
Der sprach zu seinem mitgesellen:
»Kum her, ich weiß, was wir tun wellen.
Die feigen wöllen wir verzeren
Und gegem herrn mit worten weren,
Sprechen, Esopus habs genommen,
Laßen in nicht zur antwort kommen,
Dieweil er sonst nicht wol beredt.«
Der herr kam heim und fragen tet.
Da ward Esopus hart verklagt,
Der feigen halb von in besagt,
Und solt dasselb mit schlegen büßen.
Er fiel seim herren zu den füßen
Und bat ein kleine weile frist,
Lief hin, erdacht ein kluge list
Und bracht warm waßer in eim krug,
Dasselb für seinen herren trug.
Da mustens trinken alle drei,
Hub sich ein große speierei.
Esopus spei mir waßer klar,
Die andern worfen alle gar
Die feigen; sahe man, wie sie glogen.
Drumb wurdens nacket ausgezogen,
Mit schlegen nach der tat begobt,
Und Esopus ward hoch gelobt,
Daß er ein solchen list erfunden,
Damit die lügen überwunden. –

Burkard Waldis
aus: Das Leben Esopi

Freitag, 27. November 2009

fabula

Fabel (lat. fabŭla), Gattung der erzählenden Dichtung, in der der unbeseelten Natur, bes. der Tierwelt, Vernunft und Sprache verliehen wird, meist mit moralisierender oder satir. Nutzanwendung auf die Fehler und Schwächen der Menschen; auch der Stoff oder Gegenstand eines Schauspiels oder Epos …

Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon
fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 550

Mittwoch, 25. November 2009

Hundefreundschaft


Zwei Hunde schlossen einen Freundschaftsbund,
Den sie besiegelten mit Pfot’ und Mund,
Und sahen of einander zärtlich an
Und haben sich viel Lieb’s und Gut’s gethan.
Doch einmal warf die Köchin aus dem Haus
Ein köstlich duftend Schinkenbein hinaus, –
Und mit der Freundschaft war’s für immer aus.

Julius Sturm
Neues Fabelbuch, Leipzig 1881

Dienstag, 24. November 2009

Die 10. Fabel: Vom Monde


Der Mond bat seine Mutter um ein neues Kleid. Die Mutter sagte darauf: Meine Tochter! Kein Schneider ist vermögend, dir solche Kleider zu machen, welche dir passen würden; denn du hast alle Tage eine andere Gestalt.

Diese Fabel lehret, daß es gewisse wankelmüthige und unbeständige Menschen giebt, denen man niemals etwas recht machen kann, weil sie alle Stunden andres Sinnes sind.


Moralische Fabeln mit beygefügten Erklärungen einer jeden Fabel
Aus dem Dänischen des Herrn Barons von Holberg
übersetzt durch J.A.S.K.D.E.
Leipzig 1752

Sonntag, 22. November 2009

… und er macht die Unwahrheit wahrscheinlich

»Wenn sich der Dichter, (sagt Plautus) eine Fabel zu machen vorsetzt, so suchet er das, was nirgends ist, und findet es demohngeachtet, und er macht die Unwahrheit wahrscheinlich.«

Christian Fürchtegott Gellert
Von denen Fabeln und deren Verfassern
Der erste Theil
Von der Natur und dem Wesen der Fabel

Samstag, 21. November 2009

Neuer Tag



Die liebe Sonne both
dem Wölklein rosenroth
zum Abschied noch die Hand.
Und von dem Bergesrand
schaut es erbleichend nach.
Sie tröstet es, und spricht:
»Mein Kind, verzage nicht!
Dich küß’ ich wieder wach.«

Und weinend klagt das Kind:
»Es wollen Nacht und Wind
verwehn mich alsobald
von diesem Fluß und Wald!«

»Und ob sie dich verwehn,
sagt ihm die Sonne drauf,
du sollst mich wiedersehn.
So weit du auch gereist,
ob jenseits du auch seist;
ich geh’ dir dennoch auf.«

Abraham Emmanuel Fröhlich

Freitag, 20. November 2009

Lindwurm


… eine Art Drache …, ein Fabelthier von abenteuerlicher Gestalt, hauptsächlich mit einem Schlangenleib, weßhalb sein unsterbliches Leben in der deutschen Sage des Mittelalters fortlebt. In Stamm- und Schildsagen vieler adeliger Geschlechter spielt der Lindwurm eine Rolle, und wird zum Gedächtniß an Heldenthaten in den Wappen fortgeführt. Am bekanntesten ist die Legende von dem Ritter St. Georg …, welcher einen Lindwurm tödtete und die Jungfrau erlöste, die dieser gefangen hielt. Die deutsche Heldensage bietet ähnliche Stoffe in Menge dar; auch Mähren hat mehrere dieser Art, und örtliche kommen in Deutschland sehr viele vor. In mancher alten Kirche, auf manchem Rathhause zeigt man noch Drachen- und Lindwurmhäute ausgestopft, als Wahrzeichen früherer Tapferkeit. Große Schlangen gaben jedenfalls die Veranlassung zu der so weit verbreiteten Fabel. Die Benennung des Fabelthiers wird nicht von unserm deutschen Wort Linde, sondern von dem schwedischen linda hergeleitet, was winden, umwickeln, umringeln, nach Schlangenart bezeichnet.

Damen Conversations Lexikon
Band 6., 1836, S. 372-373

Donnerstag, 19. November 2009

Der Büffel und der Auerochs


Zum Auer sprach der Büffel:
»Sag'! Ist nicht Bruder Mastochs,
Für den der Bauer täglich
Mit frischem Futter sorget,
Als glücklich zu beneiden?« –
»O ja! so lang ihm 's Messer
Nicht in der Kehle sitzet!«

Friedrich (Maler) Müller

Mittwoch, 18. November 2009

Die Bibel und die Fabellehre

Wir haben schon oben angedeutet, wie bei Novalis Poesie und Religion sich gewissermaßen identifizierten. Nachdem er (im Ofterdingen) in der Tugendlehre die Religion als Wissenschaft, die sogenannte Theologie im eigentlichen Sinne erkannt hat, stellt er gleich darauf die Poesie, nur als einen andern Ausdruck der Tugend, recht in den Mittelpunkt desselben Kreises. »Also«, sagt er, »ist der Geist der Fabel eine freundliche Verkleidung des Geistes der Tugend und der eigentliche Geist der untergeordneten Dichtkunst die Regsamkeit des höchsten, eigentümlichsten Daseins. Eine überraschende Selbstheit ist zwischen einem wahrhaften Liede und einer edlen Handlung; – so wie diese (die Tugend) die unmittelbar wirkende Gottheit unter den Menschen und das wunderbare Widerlicht der höheren Welt ist, so ist es auch die Fabel. Wie sicher kann nun der Dichter den Eingebungen seiner Begeisterung oder, wenn auch er einen höheren überirdischen Sinn hat, höheren Wesen folgen und sich seinem Berufe mit kindlicher Demut überlassen. Auch in ihm redet die höhere Stimme des Weltalls, und ruft mit bezaubernden Sprüchen in erfreulichere, bekanntere Welten. Wie sich die Religion zur Tugend verhält, so die Begeisterung zur Fabellehre, und wenn in heiligen Schriften die Geschichten der Offenbarung aufbehalten sind, so bildet in der Fabellehre das Leben einer höheren Welt sich in wunderbar entstandene Dichtungen auf mannigfache Weise ab. Fabel und Geschichte begleiten sich in den innigsten Beziehungen auf den verschlungensten Pfaden und in den seltsamsten Verkleidungen, und die Bibel und die Fabellehre sind Sternbilder eines Umlaufs.«

Joseph von Eichendorf
Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands
2. Teil

Montag, 16. November 2009

Zum Herbst


Ein jüngst noch dick belaubter Baum
Sah seines Wipfels Pracht erbleicht zu seinen Füssen,
Und, wie des Bodens runder Raum,
Den die so angenehm begrünten Schatten
So oft geschützt, so oft bedecket hatten,
Den lieben Kinderchen zum Kirch-Hof werden müssen.

Es riß der kalt' und rauhe Nord
Den dünnen Ueberrest noch immer mit sich fort,
Sie taumelten recht Schaaren-weis' herab,
Und suncken in das finstre Grab.
Er schien, in dunckler Farb', ihr sterben zu betrauren,
Und, in der Kinder Fall, sich selber zu bedauren.

Dieß heimliche Geseuftz, dieß still' und bange Klagen
Vermochten einige der Blätter, die noch grün,
Und deren frische Farb' fast unverwercklich schien,
Nicht zu vertragen.
Sie sprachen: Traure nicht! wir wollen bey dir bleiben,
Uns wird kein Wind, kein Frost vertreiben.
Sieh nur, wie grün wir noch, wie frisch; wir fühlen nicht,
Daß uns, an Kraft, an Schönheit, was gebricht.

Allein, fast in derselbigen Secunde,
Erstarrt' ihr kühnes Wort in ihrem kleinen Munde.
Ein kalter Hauch den Eurus von sich bließ,
Der ihnen seine Stärck', und ihre Schwäche wies,
Griff ihren zarten Leib so grimmig an,
Daß ihnen Leben, Muth, und alle Kraft
Vergieng, entwich, zerrann.

Es stockt ihr Lebens-Saft;
Es schrumpft ihr Cörper ein; sie zittern jämmerlich;
Ein ängstlich Seufzen scheint ihr lispelndes Gezische;
Sie beben, und sie krümmen sich:
Es scheint, als ob man sie recht von den Zweigen wische.
Sie hielten bloß darüm, dieweil die Reih
Sie etwas später traff, sich fast vom welcken frey.

Lasst diese Blätterchen, ihr noch gesunden Alten,
Bey euch des Lehrers Amt verwalten!
Ein Augenblick stürtzt sie herab:
Ein Augenblick stürtzt euch ins Grab.

Barthold Heinrich Brockes

Sonntag, 15. November 2009

Lob des Floh's

Du kleiner Nero, Compagnon der Läuse,
Blutgieriger Tyrann!
Für dich stimm' ich, nach Meister Linguets Weise
Nun auch ein Loblied an.

Dein ganz brünetter Teint, so sehr verschieden
Vom Teint der blonden Laus,
Erkohr gleich Anfangs dein Geschlecht hienieden
Zu grossen Thaten aus.

Nur deinen Stamm, der stets in ganzen Schaaren
Bei Mädchen Wache hält,
Hat die Natur zu tapfern Leibhusaren
Der Jungfrauschaft erwählt.

Und darum patroulliren auch Schwadronen
Von diesem leichten Heer
Beständig in den dunklen Regionen
Des Unterrock's umher.

Nichts schützt die Mädchen, die sich dir verschliessen,
Vor deiner Blutbegier:
Die Erstlinge von ihrem Blute fliessen
O Glücklicher, nur dir!

Du Springinsfeld bist überall gelitten,
Wo nie ein Mann hin soll,
Und schwelgst dich, gleich der Biene, an den Blüthen
Geheimer Schönheit voll.

Kein Fleck im ganzen weiblichen Gebiete,
Auch noch so heilig, ist,
Auf dem du nicht schon mit verweg'nem Tritte
Herumspazieret bist.

Da ist kein Strauch, wo du dich nicht verstecktest
Kein Plan, wo du nicht liefst,
Kein Hügelchen, wohin du dich nicht legtest,
Kein Thal, wo du nicht schliefst.

Ja, wollte man einst auch rektificiren
Der Schönheit Lustrevier,
So brauchte man, um recht es zu mappiren,
Nur dich zum Ingenier.

Nur dies verzeihen dir die Schönen nimmer,
Daß stets von jedem Kuß,
Den im Geheim du ihnen aufdrückst, immer
Ein Fleckchen zeugen muß.

D'rum lauren auch stets auf dich losen Näscher,
Enthüpfst du nicht geschwind,
Bei Tag und Nacht so viele hundert Häscher
Als Mädchenfinger sind.

Doch hascht ein Mädchen auch dich kleinen Springer
Zuletzt in ihrem Schooß,
So ist doch unter einem schönen Finger
Noch neidenswerth dein Loos.

Aloys Blumauer
Sämmtliche Gedichte
München 1830

Samstag, 14. November 2009

… über die sogenannten Fabelthiere

Rauscht das leise Flügelwehen der Sage durch alte Bäume geheimnißvoll, so tritt sie wieder in ganz anderer und in ganz eigener Weise und selbst in der Thierwelt entgegen, darum so eigen, weil die Sage, wo sie Thiere in ihr Bereich zieht, selten mit dem Märchen verschmilzt mit der Fabel aber, die so gern mit Thieren die Fülle ihrer Bilder belebt, niemals. Wir wollen dabei gar nicht weitläuftig werden über die sogenannten Fabelthiere, die viel besser mythische und höchstens Sagenthiere heißen sollten …

Ludwig Bechstein
Mythe, Sage, Märe und Fabel
im Leben und Bewußtsein des deutschen Volkes,
Dritte Teil, Leipzig 1855

Freitag, 13. November 2009

Die Schildkröte


Dschuang Dsi fischte einst am Flusse Pu. Da sandte der König von Tschu zwei hohe Beamte als Boten zu ihm und ließ ihm sagen, daß er ihn mit der Ordnung seines Reiches betrauen möchte.

Dschuang Dsi behielt die Angelrute in der Hand und sprach, ohne sich umzusehen: »Ich habe gehört, daß es in Tschu eine Götterschildkröte gibt. Die ist nun schon dreitausend Jahre tot, und der König hält sie in einem Schrein mit seidenen Tüchern und birgt sie in den Hallen eines Tempels. Was meint Ihr nun, daß dieser Schildkröte lieber wäre: daß sie tot ist und ihre hinterlassenen Knochen also geehrt werden, oder daß sie noch lebte und ihren Schwanz im Schlamme nach sich zöge?«

Die beiden Beamten sprachen: »Sie würde es wohl vorziehen, zu leben und ihren Schwanz im Schlamme nach sich zu ziehen.«

Dschuang Dsi sprach: »Geht hin! Auch ich will lieber meinen Schwanz im Schlamme nach mir ziehen.«

Dschuang Dsi
Übers: Richard Wilhelm

Donnerstag, 12. November 2009

Tres faciunt Collegium


Weh, ein Morast ist unsre Zeit!
Drin machen sich ekelerregend breit
Kröte, Basilisk und Unke;
Und wöchentlich schon – juchheideldidum –
Predgen vor ihrem Publikum
Herr Most, Herr Stöcker und Herr Majunke!

Arno Holz
aus: Buch der Zeit
Berlin, 1886

Mittwoch, 11. November 2009

Der Hirsch, der sich im Wasser spiegelt


In eines Quells Kristall, den sich ein Hirsch erwählte

Als Spiegelglas, sah er und lobte voller Preis

Die Schönheit des Geweihs.

Was um so mehr ihn quälte,

Das war die Dünnheit seiner Beine,

Die man im Wasser fast verschwinden sah.

Er stand in eitler Selbstbetrachtung da,

Zufrieden bis auf dieses eine,

Daß ihm sein Beinwerk keine Ehre mache.
»
Welch dumme Sache,«

So sprach er, »daß solch stolzes Haupt,

Das Astwerk trägt, als hätt ich einen Baum beraubt,

Auf spindeldürren Beinen leben muß!«

Indem er also klagte voll Verdruß,

Kommt wild ein Jagdhund angeschnaubt.

Er will sich retten, flüchtet in das Waldrevier.

Doch sein Geweih – verhängnisvolle Zier –

Hält jeden Augenblick ihn auf,

Den Dienst verhindernd, den die Beine leisten wollen,

Die ihm durch schnellen Lauf

Das Leben retten sollen.

Da widerrief er und verwünschte laut die Gaben,

Die ihm der Himmel jährlich neu gebracht.

Schönheit besticht; was nützt, das läßt man außer acht.

Und doch wird Schönes oft Verderben für uns haben.

Dem Hirsch mißfällt sein Bein, das ihn behende macht,

Ein Hemmnis, sein Geweih, preist er voll Unbedacht.

Jean de Lafontaine

Dienstag, 10. November 2009

Der König unter den Schlangen


»Der Basilisk ist der König unter den Schlangen; wenn er einen Menschen ansieht, tödtet er ihn. Hat einen gekrönten Kopf, zwo Spannen lang, und fast spizige rothe Augen, sein Farb zeucht sich auf die schwarze und gelbe. Er soll etwan von einem Hanen gebohren werden, dann der Han in seinem lezten Alter legt ein Ey, daraus der Basilisk entspringt. Von den Wiseln wird er überwunden und getödtet.« (Von ihm schreibt ein Mehreres Ambrosius Pareus, Chirurgia lib. XX. cap. 19. Galenus. Antius. Erasistratus.)

Lonicerus
Kräuterbuch
Ulm 1679

Sonntag, 8. November 2009

Die Heroen sind eher bereit zu schaden …


In der volksthümlichen Anschauung war vielleicht der Heros längst ein gefährlicher Kobold während man ihn officiell noch von der feierlichen Seite nahm. Für die Wandelung in den Ansichten ist eine Fabel in der Sammlung des Babrios höchst lehrreich. Auf einem Bauerngut liegt ein Heroengrab; der Landmann bringt Opfer, Kränze und Weinspenden und betet zum Heros um reichliches Gutes; da erscheint ihm derselbe im Traum und spricht: nichts gutes gewährt dir ein Heros; um solches mußt du die Götter bitten; wir sind Spender alles Übels das die Menschen verfolgt; willst du Übles, dann bitte; auch wenn du nur um Ein Übles bittest, gewähre ich dir viele! - Unter den Sprichwörtern und Redeweisen der Alexandriner findet sich das folgende aufgezeichnet: um zu sagen: ich bin keiner von Denjenigen welche den Leuten nichts Gutes gönnen, sagte man: ich bin keiner von den Heroen, denn , fügte der Aufzeichner hinzu, die Heroen sind eher bereit zu schaden als zu nützen.

Jacob Burckhardt
Griechische Culturgeschichte
Band II

Donnerstag, 5. November 2009

Hildegard und der Basilisk


Hildegard von Bingen (ca. 1098-1179), die bedeutendste Mystikerin des Mittelalters, veröffentlichte neben ihren Visionen auch Schriften über Medizin und Natur. Dabei fasste sie das damalige Wissen der Zeit zusammen, was manchmal in skurrilen Beschreibungen kulminierte:

»Der Basilisk entsteht aus gewissen Würmern, die etwas vom teuflischen Gewerk haben, wie die Kröte. Als sich die Kröte einst trächtig fühlte, sah sie ein Schlangenei, setzte sich zum Brüten darauf, bis ihre Jungen zur Welt kamen. Diese starben; dann brütete sie das Ei weiter, bis Leben in dasselbe kam, welches alsbald von der Kraft der alten (paradiesischen) Schlange beeinflusst wurde. Als die Kröte Leben im Ei sah, floh sie, da Junge aber zerbrach die Schale und schlüpfte aus, gab aber sogleich einen Hauch wie heftiges Feuer, ähnlich dem Donner und Blitz, von sich. Bis zum völligen Auswachsen gräbt es sich fünf Zoll tief in den Boden, dann kommt es wieder hervor und tötet alles, was ihm in den Weg kommt. Wo ein toter Basilisk verfault, sei es auf dem Acker oder im Hause, verbreitet er Verderben, Unfruchtbarkeit und Pestkrankheiten.«

Weder werden Kröten trächtig noch brüten sie Eier aus, eigene nicht und keine fremden. Auch ist die Kröte kein Wurm, noch hat sie teuflisches Gewerk in sich. Allerdings fehlt in Hildegards Beschreibung der tödlich Blick und die Vernichtung des Fabeltiers durch einen Spiegel. Stattdessen ist von einem tödlichen Hauch die Rede.

Aktuell läuft mit Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen ein Film in den Kinos, der ein wenig über die äußeren Umstände ihres Lebens berichtet, aber wenig oder kaum von dem, was sie im Innern bewegte.

Hildegard von Bingen
Horst-Dieter Radke

Mittwoch, 4. November 2009

Der Schatten und der Wanderer


Hah! wie ich den Stolzen verunstaltet habe, der mir immer im Lichte steht! jubelte der Morgenschatten, indem er einen wohlgebildeten Wanderer in monströser Karikatur über das Blachfeld streckte.

Einige Stunden ergetzte sich also das schwache Phantom an seinem glücklichen Streich, als es auf einmal dne Unbestand seines Unternehmens bemerkte. Die Sonne näherte sich allmählig dem Scheitelpunkt, und der Schatten lag zu den Füssen des Wandrers.

Thor! sagte nun dieser, du suchtest vergebens Mir ein Unbild zuzufügen; nur Du wurdest zum Scheusal und büssest unter meinen Füssen für deine Boßsheit.

Johann Ferdinand Schlez

Dienstag, 3. November 2009

Der Basilisk zu Trier


Dicht an dem alten Neuthor steht heut noch rechts ein altes Gebäude, welches früher ein Befestigungsthurm gewesen zu sein scheint. In demselben ist jetzt noch zu ebener Erde rechts ein dunkler Raum, dort soll sich früher ein Ungeheuer aufgehalten haben, halb Hahn, halb Drache. Aus seinem Schnabel kam Feuer heraus, sein Schwanz glich einem Drachenschweife, auf seiner schwarzen Federbrust wallte ein Ziegenbart mit Giftschaum benetzt, an jeder seiner Fersen war ein scharfer Sporn und an seinen Zehen drohten starke Klauen. Im Magen hatte das Thier ein Goldei. Es war unverwundbar gegen Feuer, Schwert und Pfeile, nur wenn es sein Bild im Spiegel sah, mußte es sterben. Allein schwer scheint es gewesen zu sein, letzteren dem Thiere vorzuhalten. Keiner wenigstens, der sich in den Thurm mit einem solchen wagte, ist wieder zurückgekehrt. Sein Bild in Relief ausgehauen befand sich bis zum Jahre 1817 noch an einem der Thürme des Thores, jetzt wird es in Trier noch in dem Saal der Gesellschaft für nützliche Forschungen vorgezeigt.

Johann Georg Theodor Grässe
Sagenbuch des Preußischen Staates
Band 2, Glogau 1868/71, S. 103

Montag, 2. November 2009

Gottlieb Konrad Pfeffel


Porträt des erblindeten Pfeffel
(aus dem 8. Band der »Poetischen Versuche«
Tübingen 1802-1810)


Gottlieb Konrad Pfeffel wurde geboren am 28.6.1736 in Colmar und ist gestorben ebendort am 1.5.1809. Der Vater war Rechtskonsulent im auswärtigen Departement der französischen Krone in Versailles gewesen und hat sich danach in Colmar zur Ruhe gesetzt. Der ältere Bruder, Christian Friedrich Pfeffel (1726 - 1807) war ebenfalls als Staatsrechtler in Versailles tätig. Er kümmerte sich nach dem Tod des Vaters (1738) um die Ausbildung des Bruders, der nach dem Gymnasium mit fünfzehn Jahren 1751 die Universität in Halle besuchte und dort öffentliches Recht und Staatsrecht studierte. Doch bereits während des Studiums stellte sich ein Augenleiden ein, das mehrere Operationen erforderte. Schließlich musste er das Studium abbrechen. Nach der letzten Operation 1758 in Straßburg erblindete er fast völlig.

1759 heiratete Pfeffel eine Straßburger Kaufmannstochter und begann sich als Schriftsteller zu etablieren, um seine Familie zu ernähren. Seine Frau Margarethe Cleophe Divoux unterstützte ihn bei seiner schriftstellerischen Arbeit. Erstmals erschienen seine Gelegenheitsgedichte 1759 in der Straßburger Wochenschrift »Der Sammler«. Zwei Jahre später (1761) erschien die dreibändige Sammlung »Poetische Versuche«, die in den folgenden Jahren immer wieder überarbeitet und erweitert wurden. Die vierte Auflage erschien in den Jahren 1802 - 1810 bei Cotta in zehn Bänden (der letzte Band posthum).

1773 eröffnete er seine »Ecole militaire« für meist adlige protestantische Knaben, eine trotz der militärischen Ausrichtung sehr fortschrittliche Schule. Während der französischen Revolution musste er die Academie allerdings aufgeben und verlor dabei auch sein Vermögen. Mit schriftstellerischen Arbeiten, unter anderem für die Unterhaltungsblätter des Cotta-Verlags, hielt er sich mühsam über Wasser, bis er 1806 durch Napoleon eine Jahrespension bekam. 1808 wurde er Ehrenmitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften in München.

Insbesondere durch seine Fabeln (neben seinen Poetischen Versuchen 1783 in einer eigenen Fabelsammlung) wurde er sehr populär. In Dresden hatte er 1754 Christian Fürchtegott Gellert kennen gelernt, den er sehr bewunderte.

Horst-Dieter Radke

Sonntag, 1. November 2009

Dieses Fabelthier existierte schon in der Einbildung der Alten …


Basilisk, Basiliske. Dieses thier existierte schon in der Einbildung der Alten; nur mit dem unterschied, daß es nach ihnen mehr einer Schlange glich. Der Name kommt von dem griechischen basilikos her, welches einen König bedeutet. Man nannte das Thier darum so, weil es auf dem Kopf einen weißen kronenähnlichen hatte. Der Leib des Basilisken ist, der alten Fabel nach, 1 Fuß lang, schlangenförmig, bewegte sich aber nicht so wie eine Schlange; sondern ging aufrecht. Er war das Schrecken aller anderen Schlangen, und nicht nur sein Biß, sondern sogar sein Blick tödtete; Sein Haus war gleichsam pestilenzialisch. Thiere, die ihn nur von fern einsogen, starben augenblicklich; ja selbst Bäume und Pflanzen gingen davon aus. Sein Gift war das fürchterlichste in der ganzen Natur; selbst Steine barsten von einander, wenn der Basilisk sie besprühte. Alles, was er mit seinem Körper berührte, brachte Menschen und Thieren den Tod, wenn sie es antasteten. Er nährte sich vom Aase, und lebte in Afrika.

So schrecklich der Basilisk war, so gab es doch Thiere, vor denen er sich fürchten mußte: den Hahn und das Wiesel. Ersterer war im Stande, das Ungeheuer durch sein krähen und durch seine Ausdünstungen zu tödten; dieses biß es zu Tode.

Ganz anders sieht der Basilisk aus, der noch jetzt in den Köpfen abergläubiger unwissender Menschen spukt. Mit dem Haushahn hat er die meiste Aehnlichkeit; sein Kopf, sein Hals, sein Rumpf, die Beine sind Theile eines Hahns, eben so ist die Stellung ganz der von einem Hahne gleich; aber die Flügel sind Drachenflügel und der Schwanz ein Drachenschwanz. Federn hat das Thier gar nicht. Seine Entstehung ist folgende: in dem neunten Lebensjahre legte der Haushahn in einen abgelegenen finstern Winkel - am liebsten im Keller - ein Ei; aus diesem entsteht entweder von selbst oder durch Bebrütung einer Kröte der oben beschriebene Basilisk. Die neuere Fabel läßt es diesem Thiere ebenfalls nicht an Furchtbarkeit fehlen. Sie stattet es reichlich mit Gift aus, und schreibt auch schon dem Blicke eine tödtende Kraft zu; ja, der Sage nach ist der neuere Basilisk noch ärger, als der alte; denn er hat keinen Feind, und weder der Mensch, noch sonst ein Geschöpf vermag ihn zu tödten. Nur er selbst kann dies oder vielmehr sein Bild, wenn er es erblickt. Ein vorgehaltener Spiegel, der ihn dies sehen läßt, tödtet ihn auf der Stelle.

Wer den unwissenden, verwahrlosten Haufen unter den Menschen näher kennt, und sich nur einigermaßen um seinen Aberglauben bekümmert, dem kann es nicht entgehen, daß das Angeführte für unbezweifelt wahr von demselben gehalten wird. Diese alberne Einbildung wird noch dadurch genährt, daß auch Beispiele von dem Schaden erzählt werden, den der Basilisk angerichtet haben soll. So vermißte z.B. im Jahr 1587 zu Warschau eine Mutter 2 ihrer Kinder. Die darnach ausgeschickte Magd fand sie auf den untersten Stufen des Kellers in einem alten verfallenen Hause; da sie auf ihr Rufen nicht hörten, so war sie der Meinung, daß sie eingeschlafen wären, und trat hinzu, um sie aufzuwecken; aber sie fiel selbst todt nieder. Das Ausbleiben der Magd vermehrte die Besorgniß der Mutter noch mehr, und trieb sie an, die Verlornen selbst zu suchen. Sie kam auch an den Keller, sah die beiden Kinder nebst der Magd todt liegen, erhub ein klägliches Geschrei, und lockte viel Volk dadurch herbei. Die Todten wurden herausgezogen und besichtigt. Ihre Leiber waren aufgeschwollen, die Augen ragten weit hervor, die Zunge war dick und der ganze Körper schwarzbraun, und Niemand wußte die Ursach dieses schrecklichen Vorfalls anzugeben. Endlich kam die Sache vor den Leibarzt des Königs; dieser, ein erfahrner Mann, vermuthete sogleich, daß ein Basilisk im Keller steckte, und rieth, um ihn zu tödten, einen Menschen mit Spiegeln behangen in den Keller zu schicken. Ein zum Tode verurtheilter Missethäter übernahm das Wagstück, mit Leder gepanzert und mit Spiegeln über und über behangen, in der einen Hand eine Fackel, in der andern eine lange Kneipzange gieng er in den Keller, und fand nach langem Suchen das Ungeheuer in einem Winkel sitzen. Es war schrecklich anzusehn; aber nicht im Stande, dem Manne zu schaden; denn in dem Augenblick, als es seine Augen auf die Spiegel richtete, und sein Bild darin gewahrte, war es todt. Triumphierend zog es aus dem Keller, maß und besah es genau, und nach dieser Beschreibung war es ganz der Basilisk, wie wir vorher geschildert haben. …

aus: Neues Natur- und Kunstlexicon …
Zum bequemen Gebrauch insonderheit auch für Ungelehrte
und für gebildete Frauenzimmer

ausgearbeitet von G.H.E. Lippold
und herausgegeben von C.Ph. Funke
Weimar 1801