Donnerstag, 1. Oktober 2009

Die 37. Fabel: Vom Fuchs, Hasen und Luchs


Es bgab sich einst umb die fasnacht,
Der fuchs seim son ein hochzeit macht,
Dieweil ern lang het laßen lern
Und in der hohen schul studiern,
Daß er in sachen vor dem rechten
Mit listen sich wol kunt verfechten.
So wust er sich alls dings zerinnern,
Sondrlich wenn er predigt den hünern.
Nam ein von seiner freundschaft nah,
Genant die schön Vulpecula.
Man nennt in herr licentiat;
Drumb er auch dest mer geste bat
Und schrieb derhalb auch allen tieren,
Daß sie kemen bei drein und vieren
Zu seines sones höchsten eren
Und mit den füchsen frölich weren.
Dahin ward auch der luchs betagt,
Dem hasen wards auch angesagt.
Die beide wonten bei einander,
Drumb woltens mit einander wander
Und zur hochzeit kommen bei parn,
Weil ir bhausung beinander warn.
Da sprach der luchs: »Hör, was ich sag,
Wir ziehen auf den hochzeittag,
Da uns der fuchs tet hin betagen:
Drumb wil ich dir mein meinung sagen.
Es ist jetzt ebn umb die fasnacht,
Daß jederman zeucht an die jagt
Und tun uns armen tiern nachstellen,
Mit iren hunden uns zu fellen.
Drumb sag ich dir, wenns dazu kem
Und uns das unglück undernem,
Daß an uns kemen mit den hunden
Und uns zu fahen understunden,
So müstest warlich nit verzagen
Und an die feind ein rüpflin wagen,
Auf daß wir uns gar weidlich weren:
So wölln wir bsten mit allen eren.«
Da sprach der has: »Wenn ichs nit tet,
Gar kleine er desselben het
Und wer des hofes groß unzucht,
Würd mir gerechnet zur feldflucht.
Drumb hab desselben keinen zweifel;
Ja, wern die hund auch halbe teufel,
So sollens doch an uns nit han,
Ich wil ir fünf allein bestan.
Das glob ich dir bei leib und leben;
Sihe da, wil dir mein hand drauf geben.«
Er sprach: »Ich wil mich drauf verlaßen.«
Sie zohen hin allbeid ir straßen
Die ganze nacht durch einen wald.
Am morgen frü kamen sie bald
Auf eine wisen lang und breit,
Da man sich kunt umbsehen weit.
Gleich in der mitten war ein rein
Und daselben ein hecken klein:
Da enthielt sich das mal ein jäger
Mit seinen hunden in dem läger,
Er ward gewar des luchs und hasen:
Er hetzt die hund, das horn tet blasen.
Da wurdens plützlich umberingt,
Ein jeder auf die tierlin springt.
Der luchs wert sich, so best er mucht;
Der has wendt sich und gab die flucht,
In reut gar bald der vorig kauf
Und steckt das hasen bannier auf,
Gab sich zu holz den berg hinan,
Mit not den hunden kaum entrann.
Da ward dem luchs sein haut zerbißen
Und so gar jemerlich zerrißen,
Daß er noch heut zu disen stunden
Hat die blutflecken und die wunden
Geheilet und verwunden nicht,
Wie man auch teglich an im sicht:
Wird im auch nimmer wider ganz.
Dazu ließ er den halben schwanz;
Zuletzt das leben rettet kaum,
Entfloh auf einen hohen baum,
Biß daß der jäger auch abzoch.
Der luchs saß lang und sahe im noch;
Darnach stieg auch vom baum ernider
Und auf den weg begab sich wider,
Kam noch den tag zum Reinhart fuchs.
Entpfieng herrlich denselben luchs
Und sprach: »Wie bistu so ganz flecket
Und überall dein haut so schecket?
Weiß nit, ists farb oder ist es blut?
Oder kleidst dich dem breutgam zgut?«
Der luchs erseufzt, hub an und sagt,
Gar kleglich übern hasen klagt,
Verzelt die gschicht von end zu ort.
Da sprach der fuchs: »Hast nie gehort:
Von anbegin das gschlecht der hasen
Mit iren ohmen, vettern, basen,
All ir vier ahnen und geschlecht
Han nie gehandelt billch und recht?
Weistu noch nit des hasen art?
Im ernst noch nie bestendig wart,
Wiewol sie schweren, vil geloben,
Das sie nit willn zu halten haben.
Drumb wil ich dir ein urteil sagen:
Das zeichen solt dein lebtag tragen,
Uber deinen balk die blutflecken,
Alln hasen zum ewigen schrecken,
Daß sie sich für dir förchten sollen.
Sie sein so stolz sie immer wollen,
Wenn sie das zeichen an dir sehen,
Sich erinnern, was sei geschehen,
Und wo du einen überkümst,
Daß du im bald das leben nimst,
Und er sich vor dir förchten muß:
Das sol sein aller hasen buß.«
Beim hasen merken wir die gsellen,
Die fünf und zwenzig fahen wöllen:
Wenns etwan sitzen bei dem wein,
Daselb die besten krieger sein
Mit fluchen, schweren, sein unfletig,
Gar vermeßen und rumretig;
Wenns aber zu dem treffen kümt,
Dann findt sichs, was sie han gerümt,
Erzeigt sich ir manlicher mut,
Bestet wie butter an der glut.

Burkard Waldis
Esopus.
Erster und zweiter Theil
Band 2, Leipzig 1882

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